Familienpolitik:Sparkurs in der Jugendhilfe

Während alle Welt den Ausbau der Kindertagesstätten feiert, wird bei der Familienbetreuung und Jugendhilfe drastisch gekürzt.

Felix Berth

Während Krippen und Kindergärten in Deutschland ausgebaut werden, hat der Staat in den übrigen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe einen drastischen Sparkurs begonnen. Das zeigen Berechnungen, die das Deutsche Jugendinstitut (DJI) an diesem Dienstag zum Auftakt des Kinder- und Jugendhilfetages in Essen präsentieren wird. Demnach wurde zwischen 2002 und 2006 in der klassischen Jugendarbeit fast ein Drittel des Personals eingespart. "Die kommunale Jugendarbeit droht zu verschwinden", warnt der Chef des DJI, Thomas Rauschenbach.

Familienpolitik: So gut wie Krippen und Kindergärten geht es anderen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe leider nicht. Bei ihnen wird eingespart, statt ausgebaut.

So gut wie Krippen und Kindergärten geht es anderen Bereichen der Kinder- und Jugendhilfe leider nicht. Bei ihnen wird eingespart, statt ausgebaut.

(Foto: Foto: dpa)

Die Behörden reduzierten das Personal auch in anderen Bereichen stark. So hatten deutsche Kinder- und Jugendheime im Jahr 2006 etwa sechs Prozent weniger Personal als noch vier Jahre zuvor. Für die Beratung und Betreuung schwieriger Familien, im Amtsjargon "ambulante Hilfe zur Erziehung" genannt, setzte der Staat 13 Prozent weniger Beschäftigte ein - obwohl die spektakulären Fälle von Kindstötungen in den vergangenen Jahren den Ruf nach früheren Interventionen und mehr Kontrollen auslösten. Selbst in Jugendämtern, denen der Gesetzgeber nach den Kindstötungen neue Pflichten auferlegte, ging der Personaleinsatz um zwei Prozent zurück.

Unterschiede zwischen West und Ost

In den neuen Bundesländern wurde im Schnitt erheblich mehr Personal eingespart als im Westen. So sank das Stellenvolumen der gesamten Kinder- und Jugendhilfe im Osten um 18, im Westen um zehn Prozent. Im Osten hat dies vor allem demographische Ursachen: Wegen des Geburtenrückgangs in der ehemaligen DDR nach der Wende sinkt dort die Zahl der Kinder und Jugendlichen seit langem; etwa in gleichem Umfang wurde Personal in der Kinder- und Jugendhilfe eingespart.

Im Westen, wo die Wende keine Auswirkungen auf die Geburtenraten hatte, sind die Kürzungen dagegen politisch gewollt. So hatten die Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg schon vor einigen Jahren über Kostensteigerungen in der Kinder- und Jugendhilfe geklagt; nun schlägt sich der Sparkurs auch in den Statistiken nieder: Bayern beschäftigte im Jahr 2006 etwa 21 Prozent weniger Personal in der Kinder- und Jugendhilfe; in Baden-Württemberg liegt der Rückgang bei 19 Prozent. Andere westdeutsche Länder hatten Rückgänge im niedrigen einstelligen Prozentbereich; Hessen und Nordrhein-Westfalen dagegen haben die Personalausstattung sogar noch verbessert.

DJI-Chef Rauschenbach will auf dem Kinder- und Jugendhilfetag, der an diesem Mittwoch von Bundespräsident Horst Köhler eröffnet wird, davor warnen, die Sparmaßnahmen fortzusetzen: "Wenn Jugendliche ins rechtsextreme Lager abdriften, wenn sie gewalttätig werden, kann Schule allein das nicht korrigieren", sagt Rauschenbach. Klassische Jugendarbeit sei genauso nötig wie Hilfe und Beratung durch Sozialarbeiter.

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