Familienpolitik:Erfolgsgeschichte Elterngeld

Wolkensprung

Soll das Geld für die Kita-Betreuung eingesetzt werden? Manche sind dafür, der Finanzminister nicht.

(Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Streit um eine Milliarde: Weil die Ausgaben steigen, soll das Betreuungsgeld herhalten.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Kurzsichtig, unverschämt - im Kampf ums Betreuungsgeld wird der Ton rauer. Eine Milliarde Euro wird frei, weil Karlsruhe die Leistung für Familien gekippt hat. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) fordert, die Mittel für bessere Kitas einzusetzen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) aber will sie für andere Zwecke verwenden. Er verweist darauf, dass im Etat des Familienministeriums die Kosten fürs Elterngeld stark steigen. 2018 könnten sich die überplanmäßigen Ausgaben auf bis zu 800 Millionen Euro erhöhen. Damit sei die Betreuungsgeldmilliarde fast verbraucht.

Vom Deutschen Städte- und Gemeindebund kam Kritik. Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, die Kommunen bräuchten die frei werdende Milliarde dringend, um die Kita-Betreuung zu verbessern. Schäubles Plan, die Mittel einzubehalten, sei "kurzsichtig". Tausende Flüchtlingskinder müssten betreut werden, sie seien traumatisiert und benötigten Sprachförderung. Dafür sei mehr Kita-Personal nötig.

Die familienpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Franziska Brantner, nannte Schäubles Hinweis auf das steigende Elterngeld eine "Unverschämtheit". Dass die Ausgaben beim Elterngeld größer würden, sei keine überraschende Mehrausgabe, sondern vom Gesetzgeber so vorgesehen. "Wenn das Elterngeld gut läuft, wird es teurer", sagte Brantner der SZ. Die Bundesregierung stehe bei dem Posten ohnehin in der Pflicht. "Auch wenn das Betreuungsgeld nicht gekippt worden wäre, wäre das Elterngeld gestiegen."

Mit dem Elterngeld können Väter und Mütter nach der Geburt eines Kindes ihren jeweiligen Lohnausfall ausgleichen. So sollen Beruf und Familie besser vereinbar werden. Der Elternteil, der für ein Kind beruflich aussetzt, bekommt 67 Prozent seines letzten Nettogehalts vom Staat, maximal 1800 Euro im Monat. Treten beide Eltern beruflich kürzer, gibt es länger Geld.

Je mehr Väter Elternzeit nehmen, desto teurer wird es - vom Gesetzgeber war das so gedacht

Die Kosten fürs Elterngeld sind laut Familienministerium zwischen 2008 und 2014 von 4,1 Milliarden auf 5,6 Milliarden Euro im Jahr gestiegen. Das liegt an höheren Löhnen und der steigenden Geburtenrate. Für Mehrlingsgeburten musste nach einem Urteil rückwirkend Elterngeld nachgezahlt werden. Es gehen aber auch mehr Frauen arbeiten und erwerben Anspruch auf Elterngeld. 2008 lag die Erwerbsquote von Müttern vor der Geburt eines Kindes bei 55 Prozent, 2013 bei 68 Prozent.

Je besser Mütter beruflich qualifiziert sind, desto größer kann der Druck auf Väter werden, für ein Baby beruflich auszusetzen. Denn dann lohnt sich die frühere Rückkehr der Mutter in den Job auch finanziell. Und Elterngeld fördert die Arbeitsteilung. Vor seiner Einführung stieg nur jeder zwanzigste Vater aus dem Job aus. Bei 2008 geborenen Kinder hatte nach Angaben des Familienministeriums jedes fünfte einen Vater, der in Elternzeit ging. 2013 war das bei jedem dritten Kind der Fall. Je mehr Väter aber in Elternzeit gehen, desto teurer wird es für den Staat. Denn Männer verdienen im Schnitt besser als Frauen.

Von einer Parität bei der heimischen Kleinkindbetreuung aber sind deutsche Eltern noch weit entfernt. Im ersten Quartal 2015 gingen 88 Prozent der Elterngeldbezüge an Mütter, aber nur zwölf Prozent an Väter, errechnete das Statistische Bundesamt. Jeder dritte Vater wünscht sich mehr Zeit mit seinen Kindern. Die allermeisten Väter aber nehmen nur zwei Monate Elternzeit, ein Jahr und mehr überlassen sie Müttern.

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