Fall Strauss-Kahn: Ende des Hausarrests:Strauss-Kahn macht seine Parteifreunde ratlos

Dominique Strauss-Kahn feiert in New York das Ende seines Hausarrests. Die Sozialisten in Frankreich freuen sich über die scheinbare Rehabilitierung ihres Parteifreundes - und haben auf einmal ein neues Problem. Soll der einstige Hoffnungsträger nun doch gegen Präsident Sarkozy ins Rennen gehen?

Lilith Volkert

Luftballons in den französischen Nationalfarben blau, weiß und rot, dazu einen in Form einer Freiheitsstatue für die wiedergewonnene (Bewegungs-)Freiheit: Dominique Strauss-Kahn bekam am Freitagabend symbolische Geschenke in seine New Yorker Wohnung geliefert. Ab sofort kann der Franzose das Appartement, in dem er fast sieben Wochen lang unter strengem Hausarrest gestanden hat, wieder nach Belieben verlassen. Die Staatsanwaltschaft zweifelt an der Glaubwürdigkeit der Frau, die Strauss-Kahn am 14. Mai in einem Luxushotel angeblich zu vergewaltigen versucht hat.

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Symbolische Geschenke zum Ende des Hausarrests: Luftballons in den französischen Nationalfarben für Dominique Strauss-Kahn.

(Foto: AFP)

Am Freitagabend feierte der DSK genannte Politiker seine Freilassung. Er besuchte mit seiner Frau Anne Sinclair und einem befreundeten Paar ein italienisches Restaurant auf Manhattans Upper East Side. Dem Blitzlichtgewitter vor dem Restaurant entzog er sich danach stumm lächelnd und fuhr mit unbekanntem Ziel davon. Nach seiner Freilassung hat sich Strauss-Kahn weder zu den Vorwürfen, noch zu seinen Zukunftsplänen geäußert.

Die entscheidenden Hinweise, die zu seiner Entlassung geführt haben, stammen aus einem aufgezeichneten Telefonat, das das Zimmermädchen 28 Stunden nach dem mutmaßlichen Überfall mit einem Freund geführt hatte - und das angeblich erst am vergangenen Mittwoch, also sechs Wochen später, in einer Übersetzung vorlag. Beide hätten sich auf Fulani, einem Dialekt aus dem westafrikanischen Guinea unterhalten, schreibt die New York Times. Dabei sollen sie über die Möglichkeit gesprochen haben, Geld aus der Begegnung zu schlagen - ein Umstand, der die Staatsanwaltschaft stark an der Glaubwürdigkeit des mutmaßlichen Opfers zweifeln ließ.

Bei den französischen Sozialisten, als deren aussichtsreichster Kandidat für die Präsidentschaftswahl 2012 Strauss-Kahn galt, herrscht angesichts der überraschenden Wende helle Aufregung. Doch neben der Erleichterung über die scheinbare Rehabilitierung des Parteifreundes, bereitet ihnen die Vorstellung, DSK könnte in naher Zukunft freigesprochen werden, auch große Probleme: Wie soll man dann mit dem einstigen Hoffnungsträger umgehen?

Ex-Parteichef François Hollande - ein eher blasser Politiker, der nach der Verhaftung des schillernden DSK zum Favoriten der Opposition wurde - sprach als erster aus, was viele denken: "Nichts sollte Dominique Strauss-Kahn hindern, anzutreten", sagte er. Dazu müsste die Frist für die Kandidaten der Vorwahl vom 13. Juli um ein paar Wochen zu verschoben werden. "Ich bin dafür, dass das Datum auf Ende August verlegt wird, damit es keine Einschränkungen gibt", sagte Hollande.

Im Oktober wollen die Sozialisten bestimmen, wer von ihnen den Wahlkampf gegen Sarkozy aufnehmen soll - die Wahl findet bereits im kommenden April statt. Dass ausgerechnet Hollande sich für eine Kandidatur von DSK einsetzt, kann daran liegen, dass er sich gegen ihn bessere Chancen ausrechnet als gegen Parteichefin Martine Aubry, eine weitere Kandidatin.

Jack Lang, der frühere sozialistische Kulturminister, forderte Dominique Strauss-Kahn auf, nach Frankreich zurückzukehren, um sich wie ursprünglich geplant für die Präsidentschaft zu bewerben. "Er wäre ein guter Kandidat", sagte Lang. Bisher ist dies allerdings noch gar nicht möglich: DSK kann sich nur in den USA frei bewegen, seinen Pass hat er noch nicht zurückbekommen.

Benoît Hamon, Sprecher der Sozialisten und Vertrauter von Parteichefin Aubry, mahnte seine Parteifreunde zur Besonnenheit: Zurückhaltung sei jetzt ein besserer Ratgeber als vorschnelle Begeisterung, sagte er. Eine Verschiebung der Vorwahlen stehe erst einmal nicht an.

Auch in der französischen Presse hält sich die Begeisterung über ein rasches politisches Comeback des ehemaligen IWF-Chefs in Grenzen. Trotz ihrer zahlreichen potentiellen Kandidaten schaffe es die PS einfach nicht, sich von DSK loszumachen, analysiert Le Monde. "Selbst wenn DSK vollkommen reingewaschen wird, kann er die Linke nicht zu einem Sieg bei den Präsidentschaftswahlen 2012 führen", kommentiert Le Midi Libre. Die Kollateralschäden seien zu groß, der Weg zum Elyséepalast für Strauss-Kahn endgültig versperrt.

Le Figaro erinnert daran, dass die Vorwürfe gegen DSK noch nicht ausgeräumt seien - auch wenn er "statt eines mutmaßlichen Vergewaltigers wohl eher ein Mann mit übermäßigem sexuellem Begehren" sei. Nach wie vor ist Strauss-Kahns Zukunft ungewiss, am 18. Juli muss er erneut vor einem New Yorker Gericht erscheinen. Dass die Hotelangestellte bei ihrem Asylantrag geschummelt haben soll, bedeutet nicht automatisch, dass ihr Vergewaltigungsvorwurf erfunden ist.

Und sollte Strauss-Kahn in den USA freigesprochen werden, könnte in Frankreich eine weitere Anklage gegen ihn warten. Dort behauptet eine junge Journalistin, er habe sie während eines Interviews im Jahr 2002 angegriffen.

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