Fall Skripal:EU stellt sich entschieden an die Seite Großbritanniens

Die britische Premierministerin Theresa May auf dem EU-Gipfel im März 2018 in Brüssel.

Die britische Premierministerin May hat sich im Fall Skripal die Unterstützung der EU gesichert.

(Foto: dpa)
  • Die EU sieht die Verantwortung für den Anschlag auf den ehemaligen Agenten Skripal "höchstwahrscheinlich" bei Russland.
  • Sie ruft ihren Botschafter aus Moskau für Konsultationen zurück.
  • Das ist ein großer Sieg für die britische Premierministerin May.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Donald Tusk hatte es eilig. Die spätabendliche Sitzung der Staats- und Regierungschefs lief noch, da ließ er die Welt schon wissen, wozu sich die Europäer durchgerungen hatten. Der Europäische Rat stimme mit der britischen Regierung überein, dass Russland "höchstwahrscheinlich" verantwortlich sei für den Giftanschlag von Salisbury, verbreitete der EU-Ratspräsident per Twitter.

Schon da war klar, dass der britischen Premierministerin Theresa May ein großer Sieg gelungen war im Kreise ihrer Noch-EU-Partner. Im Entwurf der Gipfel-Erklärung nämlich war noch eine sehr viel schwächere Formulierung zu lesen gewesen. Man nehme die britische Einschätzung "äußerst ernst, dass höchstwahrscheinlich die Russische Föderation verantwortlich ist", stand da noch.

Österreichs Kanzler Kurz war skeptisch

Das wäre wörtlich jene Formulierung gewesen, auf die sich zu Wochenbeginn bereits die EU-Außenminister zur britischen Enttäuschung verständigt hatten. Die Regierung in London wollte unbedingt einen echten Beweis der Solidarität. So bestand May am Abend in Brüssel darauf, dass auch die EU sich ihrer klaren Schuldzuweisung an Moskau anschließt.

Dagegen gab es zunächst einigen Widerstand. So machte der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz vor der Sitzung klar, dass er von May noch einmal Genaues zur Beweislage hören möchte. Aus Mays Sicht führt die Indizienkette eindeutig von einer Parkbank im englischen Salisbury nach Moskau.

Der Doppelagent Sergej Skripal und seine Tochter Julia waren am 4. März bewusstlos auf dieser Parkbank gefunden worden. Nach britischen Angaben wurden sie mit dem in der Sowjetunion entwickelten Kampfstoff Nowitschok vergiftet. Beide befinden sich seitdem in kritischem Zustand. Russland bestreitet jegliche Verwicklung.

Es gebe "keine andere plausible Erklärung" als eine Verantwortung Russlands, stellten die Staats- und Regierungschefs der EU nun in ihrer Gipfelerklärung fest: Es ist genau die Linie, die Deutschland und Frankreich schon vor Tagen zusammen mit den USA eingeschlagen hatten - und gegen die sich ursprünglich nicht nur Österreich, sondern zum Beispiel auch Griechenland gewehrt hatte.

Dahinter steht ein grundsätzlicher Konflikt, der nicht neu ist: der um den richtigen Umgang mit Russland. Noch tragen alle EU-Staaten die Sanktionen wegen der Annexion der Krim und der russischen Unterstützung für die Separatisten im Osten der Ukraine mit - aber etliche sehnen sich nach einer Wiederannäherung an Moskau.

Beim Gipfel setzte sich dann aber doch klar die Überzeugung durch, dass dafür gerade nach dem Anschlag von Salisbury nicht die Zeit ist. "Angesichts dieser gravierenden Herausforderung für unsere gemeinsame Sicherheit stehen wir in uneingeschränkter Solidarität zum Vereinigten Königreich", gelobten die Staats- und Regierungschefs in ihrer Erklärung.

"Wir sind entschlossen durch diese Sprache, aber auch gegebenenfalls durch weitere Maßnahmen einheitlich zu reagieren", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel in der Nacht. Was das praktisch zunächst einmal heißt, verriet ihr niederländischer Kollege Mark Rutte. Der EU-Botschafter in Moskau, der deutsche Spitzendiplomat Markus Ederer, werde für Konsultationen nach Brüssel zurückgerufen. Den Briten soll das zeigen, dass sie den Machtkampf mit Moskau nicht alleine durchstehen müssen. Sie hatten 23 russische Diplomaten ausgewiesen, was Russland mit gleicher Münze vergolten hatte.

Auch verschiedene einzelne EU-Staaten prüfen weitere Schritte gegen Russland. Die Ministerpräsidenten von Dänemark und Irland, Lars Rasmussen und Leo Varadkar, kündigten am Freitag vor dem zweiten Tag des Brüsseler Treffens an, ebenfalls über die Ausweisung russischer Diplomaten und Geheimdienstmitarbeiter nachzudenken. Frankreichs Präsident Macron hatte sich nach Angaben von EU-Diplomaten bereits am Donnerstagabend offen für zusätzliche Schritte seines Landes gegen Russland gezeigt.

May zeigte sich in der Nacht jedenfalls zufrieden. Sie begrüße die EU-Erklärung, sagte sie. "Die Bedrohung, die von Russland ausgeht, macht vor keinen Grenzen halt. Das ist eine Bedrohung unserer Werte", sagte sie. Deshalb sei es richtig, dass man in der EU zusammenstehe. Das war ihr offenkundig sehr wichtig. Obwohl Großbritannien im kommenden Jahr eben diese EU verlässt. Oder vielleicht gerade deshalb.

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