Fall Skripal:EU-Außenminister verurteilen Giftanschlag von Salisbury

Großbritanniens Premierministerin Theresa May besucht den Ort, an dem ein Giftanschlag auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal verübt wurde.

Premierministerin Theresa May informiert sich über das Geschehen im Fall Skripal.

(Foto: AP)
  • In einer gemeinsamen Erklärung haben die EU-Außenminister den Giftanschlag in Großbritannien verurteilt.
  • Russland habe nichts mit dem Anschlag auf Skripal und dessen Tochter zu tun, sagt Putin bei einer Rede nach seiner Wiederwahl. Er habe aus den Medien von dem Fall erfahren.
  • London betont, es habe Beweise für die Produktion und Lagerung des verbotenen Nervengifts Nowitschok in den vergangenen zehn Jahren in Russland.

Nach dem Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien haben die EU-Außenminister ihre Solidarität mit Großbritannien bekundet. Die EU nehme die Einschätzung der britischen Regierung "äußerst ernst, dass es höchst wahrscheinlich ist, dass die Russische Föderation verantwortlich ist", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung der Minister. Der "rücksichtslose und illegale" Angriff habe das Leben vieler Bürger bedroht. Die EU sei "schockiert" über den "ersten offensiven Einsatz" eines militärischem Nervengifts "auf europäischem Boden seit mehr als 70 Jahren".

Ursprünglich soll eine Erklärung mit schärferen Formulierungen geplant gewesen sein. Außenminister Nikos Kotzias habe sich jedoch "für eine Abschwächung der Erklärung eingesetzt", sagte ein Diplomat.

Unabhängige Experten sollen das eingesetzte Nervengift jetzt untersuchen. Vertreter der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) in Den Haag werden dafür an diesem Montag in Großbritannien erwartet. Die OPCW wird die Proben des gefundenen Gifts Nowitschok nach Angaben des britischen Außenministeriums in internationalen Labors überprüfen lassen. Dies wird mindestens zwei Wochen dauern.

Skripal und seine Tochter Julia befinden sich auch zwei Wochen nach dem Giftanschlag in einem kritischen Zustand. Sie waren am 4. März bewusstlos auf einer Parkbank im englischen Salisbury gefunden worden. London beschuldigt den russischen Präsidenten Wladimir Putin als Drahtzieher. Der Streit hat sich zu einer schweren diplomatischen Krise zwischen beiden Ländern entwickelt. So ordneten sowohl das Vereinigte Königreich als auch Russland unter anderem die Ausweisung von 23 Diplomaten des jeweils anderen Landes an. London verhängte außerdem weitere Sanktionen.

Putin bestreitet Verwicklungen in Fall Skripal

Unmittelbar nach seiner Wiederwahl äußerte sich Russlands Präsident Wladimir Putin am Sonntagabend in Moskau erstmals persönlich zu dem Fall. Sein Land habe nichts mit dem Anschlag auf Skripal und dessen Tochter zu tun, sagte Putin bei seiner Siegesrede. "Russland hat dieses Mittel nicht, wir haben alle unsere chemischen Waffen unter Kontrolle internationaler Beobachter vernichtet." Er habe aus den Medien von dem Fall erfahren. "Als Erstes habe ich gedacht: Wenn das ein militärischer Kampfstoff war, dann wären die Leute auf der Stelle tot gewesen." Russland kurz vor der Präsidentenwahl und der Fußball-WM diesen Sommer zu verdächtigen, sei Unsinn, meinte Putin.

Putin hat bei der Präsidentenwahl mit einer Dreiviertelmehrheit das beste Wahlergebnis seiner Karriere bekommen. Allerdings war von vornherein keinem seiner sieben Mitbewerber eine Siegeschance eingeräumt worden. Putins Wahlkampfsprecher Andrej Kondraschow bedankte sich ironisch für die Schützenhilfe aus London: "Immer, wenn Russland laut und ohne Beweise beschuldigt wird, was macht das russische Volk? Es schließt sich um das Zentrum der Macht zusammen."

Die Untersuchungen könnten noch Monate dauern

London betont, es habe Beweise für die Produktion und Lagerung des verbotenen Nervengifts Nowitschok in den vergangenen zehn Jahren in Russland. Die Reaktionen Moskaus auf den Fall sprächen für sich, sagte Außenminister Boris Johnson der BBC. Am Freitag hatte Johnson Putin persönlich für den Anschlag verantwortlich gemacht. Die Entscheidung sei "höchstwahrscheinlich" von Putin selbst getroffen worden, sagte er in London.

Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen sprach in der Bild am Sonntag von einem Regelbruch Russlands und rief die EU und die USA zu einer geschlossenen Reaktion auf.

Nach Angaben von Scotland Yard könnten die Untersuchungen im Fall Skripal noch Monate dauern. Etwa 250 Spezialisten der Anti-Terror-Polizei seien mit dem Fall beschäftigt. Skripal soll den britischen Auslandsgeheimdienst MI6 über russische Agenten in Europa informiert haben. 2004 flog der ehemalige Oberst des russischen Militärgeheimdienstes GRU auf und wurde festgenommen. Er wurde zu 13 Jahren Lagerhaft verurteilt. Im Rahmen eines Gefangenenaustauschs kam er 2010 nach Großbritannien.

Für Unruhe in Großbritannien sorgt weiterhin auch der Mord am Kreml-Kritiker und Geschäftsmann Nikolai Gluschkow. Es sei aber weiter kein Zusammenhang zwischen dem Tod Gluschkows und dem Anschlag auf Skripal erkennbar.

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