Fall Edathy:Beweisführung mit Tücken

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Aus der Sicht Sebastian Edathys war bereits der Beginn der Ermittlungen gegen ihn unrechtmäßig. (Foto: AP)

Diskretion ist nicht die Paradedisziplin der Staatsanwaltschaft Hannover. Sie hat Sebastian Edathy vorgeführt und erhebt nun Anklage gegen den früheren SPD-Abgeordneten. Zu einem Urteil zu kommen, wird gar nicht so einfach sein.

Ein Kommentar von Tanjev Schultz

Kinder zu schützen, ist ein hehres Ziel. Deshalb ist jeder Ermittler zu verstehen, der mit besonderem Eifer gegen Kinderpornografie vorgeht. Einen blinden Verfolgungseifer darf es im Rechtsstaat allerdings nicht geben. Im Fall Sebastian Edathy könnten am Ende mal wieder alle Beteiligten beschädigt sein: der Angeschuldigte ebenso wie die Ankläger. Und auch die Medien, die sich irgendwie dazu positionieren müssen.

Die Situation erinnert an den Fall Christian Wulff, zumal erneut die Staatsanwaltschaft Hannover involviert ist. Ein Prozess mutiert leicht zum Spektakel, wenn der Angeklagte ein Prominenter und der Vorwurf besonders heikel ist. Staatsanwaltschaften haben durchaus die Möglichkeit, die Dinge diskret zu regeln. Wird ein Strafbefehl ausgestellt, kann eine öffentliche Verhandlung vermieden werden. Diskretion ist aber nicht die Paradedisziplin der Ermittler in Hannover. Sie haben Edathy von Anfang an mit einer Hausdurchsuchung und einer Pressekonferenz vorgeführt.

So hat das Publikum über Edathy längst den Stab gebrochen - wozu er dann durch Uneinsichtigkeit und ein unsägliches Interview, in dem er die Tradition von Nacktbildern in der Kunstgeschichte beschwor, auch selbst beigetragen hat. Natürlich treibt es die Öffentlichkeit um, wenn sie erfährt, dass ein Politiker, der als Sozialdemokrat gegen jede Form der Ausbeutung protestieren müsste, indirekt die sexuelle Ausbeutung von Kindern fördert. Die Aufnahmen nackter Jungen, die Edathy in Kanada bestellt hat, mögen hierzulande legal gewesen sein. In Ordnung waren sie nicht.

Große Rechtsunsicherheit

Die Ermittler stützen die Anklage nun nicht auf diese Bilder, sondern auf weiteres, angeblich strafbares Material. Edathy soll es aus dem Internet abgerufen haben. Sollte es tatsächlich zum Prozess kommen, was noch keineswegs sicher ist, werden die Ankläger im Detail zeigen müssen, wie sie dieses Herunterladen rekonstruiert haben und Edathy zurechnen konnten. Das Internet ist eine tückische Sphäre, das Gericht müsste die Beweiskette sehr genau prüfen.

Aus Edathys Sicht war bereits der Beginn der Ermittlungen unrechtmäßig, weil er erstens zu dem Zeitpunkt noch die Immunität eines Abgeordneten genossen habe. Und zweitens, weil sich der Verdacht zunächst nur auf den Erwerb legaler Nacktbilder stützte. Wie kann man jemanden verdächtigen, der sich, strafrechtlich gesehen, korrekt verhalten hat?

Ermittler entgegnen, Edathy habe beim Bestellen der Bilder in Kanada nicht wissen können, was ihm geliefert würde und ob es tatsächlich legal war. Die Internetseite des Anbieters enthielt deshalb sogar einen Warnhinweis. Strafverfolger argumentieren, dass sie oftmals - so ja angeblich auch bei Edathy - doch noch strafbares Material finden. Das Problem ist nur: Die eine Staatsanwaltschaft entscheidet so, eine andere anders. In vergleichbaren Fällen wird eine Durchsuchung mal beantragt, mal nicht. Das schafft eine große Rechtsunsicherheit. Könnte sie aufgelöst werden, hätte der Fall Edathy auch noch etwas Gutes bewirkt.

© SZ vom 18.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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