Fall Amri:Koalition gegen Sonderermittler

Die Spitzen der Fraktionen sind für eine Task Force des Geheimdienst-Kontrollgremiums.

Von Stefan Braun, Berlin

Zum Fall des Berliner Attentäters Anis Amri und den möglichen Versäumnissen der Sicherheitsbehörden wird kein Sonderermittler eingesetzt. Das beschlossen die Spitzen der Koalitionsfraktionen bei einem Treffen am Dienstag. Unionsfraktionschef Volker Kauder und sein SPD-Kollege Thomas Oppermann verständigten sich darauf, mögliche Fehler und Versäumnisse durch eine Ermittlungstruppe (Task- Force) des Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKGr) aufklären zu lassen. Hintergrund der Entscheidung sei unter anderem, dass ein Sonderermittler nicht vom Parlament, sondern voraussichtlich von der Exekutive gestellt würde, hieß es aus Fraktionskreisen. Außerdem würde die Suche und Einsetzung eines solchen Sonderermittlers Zeit in Anspruch nehmen, während die Task-Force des PKGr alsbald seine Arbeit aufnehmen könne.

Selbst die Opposition ruft nicht vehement nach einem Untersuchungsausschuss

Wie es aus Kreisen des Gremiums hieß, soll dabei vor allem der Umgang des Bundeskriminalamts, des Bundesamts für Verfassungsschutz und des Gemeinsamen Terrorabwehrzentrums (GTAZ) mit dem Fall des Tunesiers Anis Amri untersucht werden. Darüber hinaus will das Gremium aber auch alle Fragen sammeln, die mit Blick auf die Landesbehörden aufgeworfen werden. Ziel werde es sein, damit mögliche weitere Untersuchungen vor allem in Nordrhein-Westfalen und Berlin zu erleichtern, sagte ein Mitglied des PKGr der Süddeutschen Zeitung.

Noch nicht vom Tisch ist damit die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses. Wie die SZ erfuhr, bleibt auch die Unionsfraktion dafür grundsätzlich offen. Allerdings will man das nicht offen forcieren, sondern zunächst die Ergebnisse der Task- Force abwarten - und sicher nicht aktiv werden, solange selbst die Opposition aus Linken und Grünen nicht vehement dafür eintritt. Allerdings wird die Zeit für einen Untersuchungsausschuss immer knapper, nach Einschätzung von Rechtsexperten könnte es April werden, bis ein Ausschuss nach Akteneinsicht erste Zeugen vernehmen könnte. "Selbst wenn der Ausschuss danach zweimal die Woche tagen und dabei auch die sitzungsfreien Wochen nutzen würde, wäre die Zeit knapp", hieß es aus der Unionsfraktion. Spätestens Ende Mai müsste der Ausschuss mit der Arbeit am Abschlussbericht beginnen; bereits Ende Juni endet die letzte Sitzungswoche dieser Legislaturperiode.

Aus den Reihen der Grünen gibt es bislang keinen eindeutigen Ruf nach einem Ausschuss, aber scharfe Kritik an Koalition und Regierung. Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann, beklagte am Dienstag eine Verletzung der Rechte des Parlaments. So verzögere das Bundesinnenministerium eine vollständige Aufklärung des Falls, informiere die Öffentlichkeit vor den Abgeordneten und beantrage Fristverlängerung bei der Beantwortung kleiner Anfragen der Opposition. Das sei eine Missachtung parlamentarischer Kontrollrechte, so Haßelmann.

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