Fall Amri:"Falsch ja, Fehler nein"

Bund und Länder wehren sich im Fall Anis Amri gegen Vorwürfe, falsch gehandelt zu haben. Im Innenausschuss des Bundestags sagt BKA-Chef Holger Münch, dass der Fall rückblickend nicht gut gelaufen sei - doch Fehler habe man nicht gemacht.

Von Stefan Braun, Berlin

Vertreter von Bund und Ländern wehren sich weiter gegen den Vorwurf, sie hätten im Umgang mit dem späteren Berliner Attentäter, dem Tunesier Anis Amri, Fehler gemacht. In der Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses am Montag betonte vor allem der Präsident des Bundeskriminalamts, Holger Münch, man könne hinterher zwar sagen, dass etwas falsch gelaufen sei. Von einem Fehler könne man aber nicht sprechen. Münchs Begründung, laut Sitzungsteilnehmern: Nach damaliger Kenntnislage seien die Sicherheitsbehörden mit Amri richtig umgegangen; deswegen sei kein Fehler gemacht worden. Aber selbstverständlich sei es aus heutiger Sicht falsch gelaufen, sonst hätte es keinen Anschlag gegeben.

Ähnlich argumentierte nach der fünfstündigen Sitzung auch der Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger. Er betonte zudem noch einmal, dass alle Beschlüsse im Umgang mit dem Gefährder Amri im gemeinsamen Terrorabwehrzentrum GTAZ von Bundes- und Landesbehörden gefällt worden seien.

Jägers Bemühungen, alle in Mithaftung zu nehmen, sind verständlich, gibt es doch nach wie vor heftige Kritik am Verhalten Nordrhein-Westfalens. Diese richtet sich nicht gegen die letztlich falsche Einschätzung, Amri sei nicht so gefährlich. Mit ihren Attacken wenden sich vor allem Bundestagsabgeordnete aus CDU und CSU gegen die Ausländerbehörden des Landes. Der CDU-Parlamentarier Armin Schuster beklagte, diese hätten im Fall Amri viel früher und viel härter durchgreifen müssen. Zahlreiche Strafdelikte, dazu Verstöße gegen das Aufenthaltsrecht und dann auch noch die Tatsache, dass Amri seine Herkunft bewusst verschleiert habe - all das hätte laut Schuster zu Anklage, Verurteilung und Abschiebung führen müssen. Jäger dagegen betonte, ebendies sei unmöglich gewesen, weil die Abkommen des Bundes mit Tunesien und anderen Maghreb-Staaten schlecht ausgehandelt seien.

Die Grünen-Politikerin Irene Mihalic dagegen kritisierte die Sicherheitsbehörden. Diese hätten entgegen ihrer Behauptung viel zu wenig aus den Fehlern im Umgang mit dem rechtsterroristischen NSU gelernt. Obwohl sich nach Aufdeckung des Terror-Trios alle einig gewesen seien, künftig gezielt Gefährder in den Blick zu nehmen und nicht nur komplexe Netzwerke und Zusammenhänge, müsse man heute feststellen, dass man wieder nicht gezielt am eigentlichen Gefährder dran war. "Das ist ein Missstand, den es dringend abzustellen gilt - egal für welchen Extremismusbereich", sagte Mihalic.

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