Fahrradstaffel:Ab durch die Mitte

Fahrradstaffel der Polizei Berlin

Ja, mir san mit'm Radl da: Wenn die Fahrradstreife aufkreuzt, kann es für Verkehrssünder teuer werden.

(Foto: B. Pritzkuleit)

Im Zentrum Berlins geht die Polizei seit zwei Jahren mit Trekkingrädern auf Streife und notfalls auf Verfolgungsjagd. Seitdem gibt es deutlich weniger Unfälle. Über Ermittlungen im Rotlichtmilieu.

Von Jens Schneider, Berlin

Die Beamten radeln stets zu zweit durch die Mitte der Hauptstadt, und sie fallen auf am Brandenburger Tor oder der Friedrichstraße. Die Uniform der Fahrradstaffel der Berliner Polizei leuchtet in grellen Farben. Zwanzig sportliche Polizisten gehören zum Team, das seit zwei Jahren von morgens bis abends in zwei Schichten auf Trekkingrädern in Zentrum unterwegs ist. In ihrem Einsatzgebiet dominieren die Radfahrer oft den Verkehr, das Rad gilt vielen als ideales Verkehrsmittel. Es gibt allerdings auch besonders viele Verkehrsunfälle mit Radfahrern. Vor zwei Jahren startete deshalb die Fahrradstaffel der Polizei, die Falschparker notiert, aber auch Rotsünder anhält und auch verfolgt, um ein Bußgeld zu verhängen. Ihr Einsatz zeigt offenbar Wirkung. Die Zahl der Unfälle ist Unfallforschern zufolge deutlich zurück gegangen, vor allem die der schweren Unfälle.

Fahrradstaffeln gibt es in vielen Städten, aber das Einsatzgebiet dieser ist einzigartig

"Die Staffel steigert die Verkehrssicherheit", sagt Siegfried Brockmann, er ist Leiter der Unfallforschung der Versicherer und sieht einen eindeutigen Zusammenhang: Der Einsatz der Beamten sorge für mehr regelrechtes Verhalten bei Autofahrern und Radfahrern. Der Unfallforscher begleitet den auf drei Jahre angelegten Versuch mit einer Evaluation, das Projekt der Berliner Polizei ist bei seinem Start finanziell von der Versicherungswirtschaft unterstützt worden. Es ist auf den östlichen Teil des Bezirks Berlin-Mitte begrenzt. Fahrradstaffeln gibt es bei der Polizei auch in anderen Städten, aber der Einsatz sei einzigartig, sagt der Leiter der Staffel Sascha Ziegler: Sein Team habe nur diese eine Aufgabe. Die Präsenz hat offenbar Folgen - wobei niemand behaupten würde, dass sie allein die hohe Zahl von schweren Unfällen verringern könnte, denen in Berlin häufig Radfahrer zum Opfer fallen. In den Koalitionsverhandlungen für den neuen Senat von SPD, Linke und Grünen wird gerade heftig um eine fahrradfreundliche Verkehrsstrategie für Berlin gerungen.

Die Erfahrungen mit der Fahrradstaffel sind aber bemerkenswert. In den vergangenen zwei Jahren sank die Zahl der Unfälle mit schwerem Personenschaden in Berlin-Mitte um 28 Prozent, für die Studie beobachtete man parallel die Entwicklung im angrenzenden Neukölln, dort stieg die Zahl der schweren Unfälle. Generell ging die Zahl der Unfälle im zweiten Jahr deutlich zurück. "Die Tendenz hat sich klar gedreht", sagte Brockmann und präsentierte dazu Umfragen, wonach dort mittlerweile mehr Radfahrer befürchten, für einen Rotlichtverstoß belangt zu werden.

Es kann halt schnell teuer werden. Die Fahrradpolizisten belassen es laut Hauptkommissar Ziegler zwar in 30 Prozent bei Ermahnungen, ansonsten aber werden die Ordnungswidrigkeiten mit Geldbußen geahndet - etwa 33 000 waren es in den zwei Jahren. Davon gingen zwei Drittel zu Lasten von Autofahrern, überwiegend wegen falschen Parkens und gefährlichen Abbiegens. Radfahrer wurden besonders häufig als Rotsünder bestraft, die Zahl verdoppelte sich nahezu - so wie die der Anzeigen wegen Telefonierens beim Radfahren. Bereits in diesem Sommer war bekannt geworden, dass allein die gegen Radfahrer verhängten Bußgelder sich im zweiten Jahr der Staffel auf rund 300 000 Euro beliefen, den Großteil machten Rotlichtsünder aus.

Nach gut zwei Jahren im Einsatz zeichnete der Leiter der Gruppe aber ein positives Bild, was das Verhalten von Radlern wie Autofahrern angeht. Vor dem Start sei ja viel von Rowdytum bei Radlern die Rede gewesen, so Ziegler, und manche Radfahrer seien sehr extrem. Aber das seien Ausnahmen, er würde den Berlinern ein gutes Zeugnis ausstellen. "Wir glauben schon, dass die Rücksichtnahme gestiegen ist", sagt er mit Blick auf die Präsenz der Staffel. So würden Autofahrer mehr an den Schulterblick denken.

Gelegentlich komme es, wenn Radler eine rote Ampel überfahren, schon mal zu Verfolgungsjagden. "Wir sind alle recht sportlich", sagt Ziegler. Aber manche Radler seien dann mit so großem Risiko unterwegs, dass es besser wäre, sie fahren zu lassen. Das müsse aber nicht das Ende der Verfolgung sein: Viele seien Berufspendler, erklärt der Polizist, "dann stelle ich mich halt am nächsten Morgen wieder da hin."

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