Straßenrad-WM in Katar:Radfahren, jetzt auch für Frauen

Wider Image: Afghanistan's Women Racers

In Afghanistan ist es bereits erlaubt, Nachbarland Iran ist noch weit davon entfernt: Frauen auf dem Fahrrad. Hier bereiten Masooma Alizada (links) und Frozan Rasooli, Mitglieder der afghanischen Nationalmannschaft, ein Rad für das Training vor

(Foto: REUTERS)

Im Nahen Osten gelten radfahrende Frauen noch immer als unkeusch - nun richtet Katar die Straßenrad-WM aus. In dieser Weltgegend ist das fast eine Revolution.

Von Paul-Anton Krüger

Frauen auf dem Fahrrad sind im Nahen Osten ein seltener Anblick. Es gilt für sie als unschicklich, sich auf den Sattel zu schwingen. Einige Erzkonservative erzählen sogar, dass radelnde Frauen Jungfräulichkeit und Fruchtbarkeit einbüßen. In Iran hat jüngst der Oberste Führer Ali Chamenei eine Fatwa erlassen, die Frauen das Fahrradfahren in der Öffentlichkeit untersagt. Es ziehe die Aufmerksamkeit von Männern auf sich und korrumpiere die Gesellschaft, heißt es im Rechtsgutachten des schiitischen Ayatollahs, das stehe im Widerspruch zur obligatorischen Keuschheit der Frau.

Aus Protest posten seither Frauen in sozialen Medien Bilder von sich auf Mountainbikes, Damen- oder Rennrädern. Angezettelt haben die Kampagne die Exil-Journalistin Masih Alinejad und ihre Mitstreiter der Online-Plattform "My Stealthy Freedom", die sich gegen den Kopftuchzwang für Frauen in Iran wenden.

Auf der anderen Seite des Golfs, in Saudi-Arabien, ist Frauen seit 2013 das Radfahren gestattet (das Steuern eines Autos jedoch nicht). Der Spielfilm "Das Mädchen Wadjda" der Regisseurin Haifaa al-Mansour aus dem Jahr zuvor mag zum Fall des Verbots beigetragen haben. Er erzählte die Geschichte einer Elfjährigen aus Riad, die sich nichts sehnlicher wünscht, als das grüne Fahrrad aus dem Spielzeugladen, an dem sie jeden Tag auf dem Schulweg vorbeikommt. Sie will damit ein Rennen gegen den Nachbarsjungen Abdullah gewinnen.

Nach Ansicht des ultrakonservativen sunnitischen Großmuftis Abdulaziz al-Sheikh dürfen Frauen allerdings nur in Parks zum Vergnügen fahren, also nicht etwa zur Arbeit. Und natürlich nur in voller Verschleierung und begleitet von einem männlichen Verwandten - was bissige Witze über Tandems nach sich zog.

Fahrradrennen für Frauen als Marketingstrategie

In dieser Weltgegend nimmt es sich daher fast schon revolutionär aus, dass Katar von Sonntag an die Straßenrad-Weltmeisterschaft des Internationalen Radsport-Verbands UCI ausrichtet. Für Männer. Und für Frauen. Es ist die erste in einem arabischen Land oder im Nahen Osten überhaupt. Das kleine Emirat, auf einer Halbinsel zwischen Saudi-Arabien und Iran gelegen, ist sonst in religiösen Fragen ziemlich konservativ; in der Hauptstadt Doha sieht man normalerweise allenfalls Gastarbeiter aus Südasien oder Westler auf dem Rad - und nicht katarische Frauen.

Es gehört in Katar allerdings zum Marketing und zur außenpolitischen Strategie des Landes, internationale Sportereignisse auszutragen, die sich Menschen auf der ganzen Welt im Fernsehen anschauen. Manchmal bringen diese Großevents gesellschaftlichen Fortschritt - ob gewollt oder nicht.

Schon seit acht Jahren wird die Qatar Ladies Tour ausgefahren. Im engen Renndress sprinten Frauen vorbei an den Glitzerfassaden der Wolkenkratzer die Corniche von Doha entlang. Die Geschäfte des WM-Organisationskomitees führt eine Frau, Amani al-Dosari. Frauen spielen im öffentlichen Leben in Katar eine wichtigere Rolle als in vielen Ländern der Region. Katar hat zwar selbst keine WM-Starterin gemeldet, doch in Kairo, Teheran, Gaza und Doha steigen gegen alle Widerstände immer mehr Frauen aufs Rad. Sie hoffen, dass es zum Vehikel ihrer Emanzipation wird.

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