Facharztausbildung:"Absolut untragbar"

Facharztausbildung: Wala Bakhamees aus Saudi-Arabien will Augenärztin werden.

Wala Bakhamees aus Saudi-Arabien will Augenärztin werden.

(Foto: Ricarda Spiegel/Charité)

Saudi-Arabien lässt an der Berliner Uniklinik Charité Fachärzte ausbilden. Die Gewerkschaft protestiert.

Von Kim-Björn Becker, Martin Schneider, Berlin/München

Vor dem alten Hörsaal der Berliner Charité prasselt der Regen, drinnen trägt die Ärztin Wala Bakhamees ein Gedicht vor. Sie steht auf der Bühne des Festsaals, weißes Kopftuch, braune Augen. Auf dem Tisch liegen zwei gold-schwarz glänzende Füllfederhalter bereit, die Verträge sind in Leder eingeschlagen. Bloß noch unterschreiben. Es riecht nach Tee und Safran, das Buffet ist bereitet.

Anlass der Feier: Die Berliner Uniklinik hat am Dienstagabend einen Kooperationsvertrag mit dem Königreich Saudi-Arabien unterzeichnet. Das Land entsendet in den kommenden Jahren zwischen 15 und 20 approbierte Mediziner jährlich in die deutsche Hauptstadt, um sie in der Charité zu Fachärzten weiterbilden zu lassen. Wala Bakhamees ist eine von ihnen, eine sogenannte Stipendiatin, sie hat das Auswahl-Casting in ihrem Heimatland bestanden und will sich nun auf Augenheilkunde spezialisieren. Der Charité entstehen durch die Beschäftigung der arabischen Mediziner keinerlei Kosten, im Gegenteil: Saudi-Arabien kommt nicht nur für die Gehälter der Stipendiaten auf, einschließlich der Lohnnebenkosten, darüber hinaus erhält die Klinik für jeden Arzt in Weiterbildung einen Obolus.

Für den saudischen Botschafter in Deutschland, Ossama Abdulmajed Ali Shobokschi, ist die Zusammenarbeit ein "großer Gewinn". Sein Land brauche dringend "Fachpersonal mit guten Kenntnissen". Auch der ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, sagte, er freue sich über die Kooperation. Die saudischen Ärzte würden in einem "aufwendigen Verfahren" vom dortigen Bildungsministerium ausgesucht und seien qualifiziert.

Für die Ärztegewerkschaft Marburger Bund ist der Pakt zwischen Berlin und Riad weniger erfreulich, nach den Worten ihres Geschäftsführers Armin Ehl ist die Zusammenarbeit sogar "absolut untragbar". Grund ist das finanzielle Paket, das die saudische Erbmonarchie der Uniklinik offeriert hat. Die Stellen würden "an den Meistbietenden regelrecht verkauft", kritisiert Ehl. Wer sich "auf regulärem Weg" um einen Job bemühe und keinen Geldgeber hinter sich wisse, werde "benachteiligt".

Die Charité wehrt sich: Bewerber anderer Länder werden nicht benachteiligt

Dass ausländische Mediziner in Deutschland eine Weiterbildung zum Facharzt durchlaufen, ist grundsätzlich weder selten noch problematisch. Viele Kliniken rekrutieren gezielt ausländische Ärzte, weil das deutsche Ausbildungssystem allein den Bedarf nicht immer deckt. In Deutschland sind etwa 166 000 Ärzte tätig, etwa 35 000 von ihnen kommen aus dem Ausland. Wie viele eine Weiterbildung zum Facharzt durchlaufen, wird allerdings nicht zentral erhoben. Der Marburger Bund schätzt, dass sich die Zahl im vierstelligen Bereich bewegt. Die deutschen Kliniken genießen im Ausland einen hervorragenden Ruf, daher sind sie als Weiterbildungsstätten gefragt. Insbesondere Länder aus dem arabischen und postsowjetischen Raum haben ihre Ärzte in der Vergangenheit zudem mit sogenannten Stipendien unterstützt: Entweder zahlten sie einen Teil des Gehalts oder übernahmen es gleich ganz, oft gingen die Zahlungen direkt auf die Konten der Mediziner. Im Gegenzug setzten einige deutsche Kliniken nach Darstellung des Marburger Bunds Arbeitsverträge auf, deren Gehalt deutlich unter Tarif war - oder in denen Regelungen zur Vergütung gleich ganz fehlten. Das Geld floss ja sowieso.

Vor genau einem Jahr schickte die Ärztegewerkschaft einen Brandbrief an die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), den Spitzenverband der Kliniken. Entsprechende Regelungen seien "weder rechtlich möglich noch politisch sauber", hieß es. Möglicherweise machten sich die Kliniken sogar strafbar. Zudem sei es "mehr als fragwürdig", dass sich "einige Drittstaaten ihre Weiterbildungsstellen in Deutschland komplett ,kaufen' können, andere dagegen aufgrund fehlender Mittel nicht" und europäische Interessenten ohne "Stipendium" gleich ganz außen vor seien. Die DKG nahm sich des Themas rasch an: In einem internen Rundschreiben vom Januar warnte sie die Kliniken, dass entsprechende Modelle "aus rechtlicher Sicht nicht mehr tragfähig" seien. "Die betroffenen Krankenhäuser sollten sich daher an die Stipendiengeber mit dem Ziel wenden, die Zahlungen nicht mehr an den Gastarzt auszukehren, sondern an das Krankenhaus abzutreten." Die Klinik könnte dann "hieraus einen entsprechenden Arbeitslohn zahlen".

Genau so verfährt nun die Charité mit den arabischen Medizinern: Das Land zahlt direkt an die Klinik, diese entlohnt die Ärzte nach Tarif. Darüber hinaus würden Bewerber weiterer Länder nicht benachteiligt, sagt Ulrich Frei, da die Stipendiaten aus Riad keine Planstellen besetzten. Sie würden zusätzlich aufgenommen. "Das Programm dient nicht dem Stopfen von Löchern", sagte er. "Die Charité hat ohnehin kein Rekrutierungsproblem."

Bleibt noch die Kritik der Gewerkschaft, dass bei steigender Zahl der Ärzte in Weiterbildung die Qualität der Facharztausbildung leiden könnte. Schließlich müssen die Mediziner betreut werden und beispielsweise in der Chirurgie eine bestimmte Anzahl von Operationen vornehmen. Für Ulrich Frei ist auch dieser Einwand unberechtigt. Die Charité beschäftige derzeit etwa 2000 Ärzte, da wirkten sich 20 Nachwuchsmediziner pro Jahr nicht auf den Betrieb aus.

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