EZB-Chef:Draghi deutet Kurswechsel bei Zinsen an

Obwohl die Notenbank Europas Konjunktur optimistisch einschätzt, müssen viele Sparer weiterhin Strafzinsen zahlen.

Von Andrea Rexer

Nach Jahren der lockeren Geldpolitik deutet die Europäische Zentralbank (EZB) erstmals eine Kurskorrektur an. Deren Präsident Mario Draghi stellte nach der Ratssitzung im estnischen Tallinn am Donnerstag klar, dass die Notenbank keine weiteren Zinssenkungen plane. Bisher hatten die Währungshüter sich diesen Schritt immer offengehalten.

Es ist ein Kurswechsel, der sich vor allem in Worten äußert, nicht in Taten. Denn am gegenwärtigen Zinsniveau ändert sich erst einmal nichts, der Leitzins bleibt unverändert bei 0,0 Prozent. Bei diesem Wert liegt er schon seit März des vergangenen Jahres. Deswegen werden auch die Sparer von dem Kurswechsel der EZB so schnell nichts merken. Sie bekommen weder unmittelbar höhere Sparzinsen, noch wird sich an den Negativzinsen für Einlagen etwas ändern. Denn auch der sogenannte Einlagensatz bleibt unverändert bei 0,4 Prozent, Geldhäuser müssen also weiter Strafzinsen zahlen, wenn sie über Nacht bei der Notenbank ihr Geld parken.

Diese Regelung hat dazu geführt, dass immer mehr Banken und Sparkassen sowohl von Unternehmen als auch von Privatleuten Strafzinsen auf ihre Guthaben verlangen. Die Sätze dafür liegen in der Regel zwischen 0,3 und 0,5 Prozent. Viele Institute sprechen gegenüber ihren Kunden aber lieber von "Verwahrgeldern", damit es nicht ganz so negativ klingt. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Banken von dieser Einnahmequelle so schnell abrücken. Auch die Gebühren an den Geldautomaten und für Dienstleistungen wie etwa Überweisungen dürften eher zu- als abnehmen. Denn viele Banken stehen nicht nur wegen der niedrigen Zinsen unter Druck, auch die Digitalisierung und die strengere Regulierung machen ihnen zu schaffen. Helfen dürfte den Banken, dass die europäische Konjunktur an Fahrt gewinnt. Mario Draghi blickt deutlich optimistischer auf das Wachstum in der Euro-Zone als noch vor einem Monat, die EZB hat ihre Prognosen für die Zeit bis 2019 leicht angehoben.

Auf der anderen Seite jedoch verwies Draghi mehrmals auf die immer noch zu niedrige Inflation. Die Verbraucherpreise würden sogar noch langsamer steigen als zuletzt erwartet. "Ein außergewöhnliches Maß an geldpolitischer Unterstützung ist immer noch nötig", sagte der EZB-Chef. Über ein Abschmelzen der billionenschweren Anleihekaufprogramme sei nicht gesprochen worden. Mit diesen Programmen hilft die EZB vor allem den krisengeschüttelten südeuropäischen Ländern.

Die Finanzmärkte sowohl in Europa als auch den USA reagierten auf die Äußerungen der EZB gelassen. Druck kommt vonseiten der amerikanischen Notenbank, die ihrerseits bereits mehrmals die Zinsen angehoben hat. Kritik an der EZB wurde vor allem aus Deutschland laut. Der Bankenverband BdB begrüßte zwar die "ersten Trippelschritte in Richtung Ausstieg aus der extrem expansiven Geldpolitik", hätte sich angesichts der stabilen Konjunkturentwicklung im Euro-Raum aber ein "entschlosseneres Vorgehen gewünscht ", sagte BdB-Chef Michael Kemmer.

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