Extremisten im Kaukasus:Spiele in Zeiten des Terrors

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Eine Countdown-Uhr in Moskau zeigt die verbleibende Zeit bis zu den Olympischen Winterspielen in Sotschi an.  (Foto: REUTERS)

Die Sicherheitsprobleme in Russland sind nicht kleiner, sondern größer geworden. Das hat der Selbstmordanschlag im Nordkaukasus wieder einmal gezeigt. Schon in einem Jahr starten die Winterspiele in Sotschi. Moskau bleibt nur wenig Zeit, die Konflikte im Kaukasus unter Kontrolle zu bringen.

Von Frank Nienhuysen, Moskau

Feiner Kunstrasen, ein sicheres Stadion und Polizisten, die mit hauptstädtischer Routine die Fußballfans begleiten. Dass der kaukasische Klub Anschi Machatschkala sein Heimspiel gegen Hannover 96 im 1000 Kilometer entfernten Moskau austrug, hat mit der Dauergewalt daheim in Dagestan zu tun. Und am Tag des Spiels haben sich die Bedenken des europäischen Fußballverbandes wieder einmal bestätigt. Bei einer Polizeikontrolle am Stadteingang von Chassawjurt ging die Bombe eines Selbstmordattentäters hoch. Vier Polizisten starben, sechs weitere wurden schwer verletzt in ein Krankenhaus gebracht.

Am selben Tag traf sich Präsident Wladimir Putin mit Vertretern des Inlandsgeheimdienstes FSB. Er rief dazu auf, große gesellschaftliche, internationale Ereignissen, die in nächster Zeit in Russland stattfinden, sicher zu schützen. Namen nannte er nicht, gemeint hat er wohl: das G-20-Treffen im September, die Universiade - und die Olympischen Winterspiele in Sotschi.

Es bleibt nicht mehr viel Zeit

Es ist seit Jahren bekannt, dass der Terror ein großes Sicherheitsproblem in Russland ist. Aber es ist eben auch nicht wirklich kleiner geworden, eher noch größer. Putin würdigte, dass Dutzende terroristischer Verbrechen im abgelaufenen Jahr aufgedeckt und verhindert worden seien. Doch zugleich ist immer noch eine Menge passiert. 211 Sicherheitskräfte und 78 Zivilisten seien 2012 im russischen Nordkaukasus getötet worden, sagte kürzlich ein Vertreter des Innenministeriums.

Wenn Moskau die Extremisten im Kaukasus bis zu den Olympischen Spielen in einem Jahr unter Kontrolle haben will, bleibt also nicht mehr viel Zeit. "Sotschi rückt näher, und deshalb muss der Kreml Ordnung schaffen", sagt Achmed Jarlikapow von der Russischen Akademie der Wissenschaften. "Und Dagestan ist ohne Zweifel die größte Sicherheitssorge in der Region."

Vor zwei Wochen erst hat Putin die Führung in Dagestan ausgetauscht, in der Hoffnung, dass der in der Kaukasus-Republik geborene Ramsan Abdulatipow das unruhige Gebiet besser in den Griff bekommen würde. Der Politologe Alexej Malaschenko vermutet deshalb, dass der jüngste Terroranschlag ein Zeichen der Islamisten sei, "dass auch nach der Benennung von Abdulatipow die Kampfhandlungen weitergehen". Abdulatipow selber hatte zuvor gesagt, man könne mit Gewalt allein den Extremismus nicht bekämpfen und signalisierte zugleich Gesprächsbereitschaft.

Während im benachbarten Tschetschenien unter der strengen Herrschaft des berüchtigten Oberhaupts Ramsan Kadyrow relative Ruhe eingekehrt ist und neue, symbolische Prachtbauten entstanden sind, ist Dagestan zum neuen Kernproblem des russischen Anti-Terror-Kampfes geworden. Die Arbeitslosigkeit ist dort am größten, die Korruption, die Orientierungslosigkeit der jungen Bevölkerung - und damit auch der Rekrutierungserfolg gewaltbereiter Islamisten, die in der Region am liebsten ein strenges Kalifat aufbauen wollen und gegen die Institutionen des Staates kämpfen.

"Jedes Jahr nimmt die Zahl der terroristischen Verbrechen zu"

Angeblich hat Moskau bereits vor einem Jahr Tausende Soldaten aus Tschetschenien abgezogen und in die Nachbarregion verlegt. Doch die eingesetzten Sicherheitskräfte gelten nicht immer als ausreichend vorbereitet, kennen sich in den schwer zugänglichen Bergen oft kaum aus. Sicherer ist es jedenfalls nicht geworden. "Dagestan steht in Russland auf Platz eins bei der Zahl der Verbrechen", sagte der neue dagestanische Präsident Abdulatipow. "Jedes Jahr nimmt die Zahl der terroristischen Verbrechen zu." Und er machte auch deutlich, wie schwer es bei den derzeitigen Strukturen sein dürfte, daran schnell etwas zu ändern. "Es kommt vor, dass ein Mitglied einer Familie eine kriminelle Autorität ist, und ein anderes Staatsanwalt oder Leiter eines Sicherheitsdienstes", sagte er. Erst nach drei bis fünf Jahren könne man wissen, "wer ein Bandit ist, und wer ein ehrlicher Mensch".

So viel Zeit dürfte allerdings nicht bleiben, um den Konflikt in der Region zu entschärfen. Die Olympischen Winterspiele in Sotschi werden sicher sein, das hat die russische Führung immer wieder versprochen. Und so dürfte das Großereignis am Fuße des Kaukasus von einem Aufgebot an Polizei und Sicherheitsdiensten begleitet werden, wie es das bei Winterspielen zuvor noch nicht gegeben hat. Russische Medien berichteten, dass Zuschauer nur nach einer Überprüfung und mit einer speziellen Karte zu den Sportstätten gelangen werden. Schon jetzt werden in Sotschi neben den Polizisten etliche Bodyscanner und Überwachungskameras eingesetzt. Und bis zu Beginn der Spiele wird der Aufwand weiter erhöht. Zumindest in Sotschi dürften Extremisten es dann sehr schwer haben.

© SZ vom 16.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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