Extremismus im Nahen Osten:Israels innere Feinde

Israeli police carry away a right wing protester in Jerusalem

Aufgeheiztes Klima des Hasses: Israelische Polizisten verhaften in Jerusalem einen extremistischen jüdischen Demonstranten, der während der Beerdigung der drei von radikalen Palästinensern ermordeten Jugendlichen, "Tod den Arabern" skandiert hatte.

(Foto: dpa)

Der Rachemord an dem palästinensischen Jungen ist die Frucht einer Fehlentwicklung in einem grausamen Klima. Die Verdächtigen sollen selbst noch Jugendliche sein - wer hat sie diesen Hass gelehrt, wer hat ihre Rachegelüste angestachelt?

Ein Kommentar von Peter Münch, Tel Aviv

Ein Mord aus Rache schockiert die israelische Nation, doch der Schock könnte bald schon bald von Angst und Schrecken eines neuen Krieges abgelöst werden. Mit aberwitziger Geschwindigkeit wird die Region gerade wieder von einer Eskalation in die nächste geschleudert. Dabei wäre gerade jetzt ein Innehalten dringend nötig - und ein Blick darauf, zu welcher Verrohung der permanente Konflikt führt. Sechs jüdische Extremisten werden beschuldigt, den 16-jährigen Palästinenser Mohammed Abu Khdeir entführt und bei lebendigem Leib verbrannt zu haben. Israels Polizei hat schnell ermittelt, Israels Politiker verurteilen die Tat in den allerschärfsten Tönen. Sie versichern, dass der Rechtsstaat diesen Mord an einem Palästinenser genauso ahnden wird wie die Morde an den drei zuvor entführten israelischen Jugendlichen. Doch es geht längst nicht mehr nur darum, die Tat vor den Gerichten zu verhandeln. Gefordert ist jetzt die gesamte israelische Gesellschaft.

Denn die Aufarbeitung dieses Mordes darf sich nicht auf die Täter allein konzentrieren. Es geht um das Klima, in dem ein solches Verbrechen gedeihen kann. Die Verdächtigen sollen allesamt zwischen 16 und 22 Jahre alt sein - wer also hat sie diesen Hass gelehrt, wer hat ihre Rachegelüste angestachelt?

Die Regierung hat radikalen Siedlern nie Einhalt geboten

In den aufgeheizten Tagen nach der Entführung der drei israelischen Jugendlichen sind viele Dämme gebrochen in Israel. Im Internet bekamen Racherufe tausendfache Unterstützung, nach der Beerdigung der drei Schüler zogen Hunderte durch Jerusalem, skandierten "Tod den Arabern" und jagten palästinensische Passanten. Befeuert worden ist dies durch Minister der Regierung von Benjamin Netanjahu, die sich mit Racheschwüren gegenseitig zu überbieten versuchten - und auch durch einen Armee-Einsatz im Westjordanland, der ganz bewusst jede Verhältnismäßigkeit gesprengt hat. Die Suche nach den Vermissten und ihren Entführern wurde als Strafaktion exerziert - mit Massenverhaftungen, willkürlichen Durchsuchungen und der Zerstörung der Häuser von Verdächtigen.

Die Regierung selbst hat damit demonstriert, dass im Umgang mit den Palästinensern Rache vor Recht geht. Der Mord an dem palästinensischen Jugendlichen ist die Frucht dieser Fehlentwicklung. Nun reicht es nicht, dass die Täter rechtsstaatlich verurteilt werden. Es wird auch nicht genügen, dass ein paar Minister aufgeschreckt vom furchtbaren Echo eine Zeit lang ihren Ton mäßigen.

Erforderlich ist, dass sich Israel endlich wehrhaft nicht nur gegenüber den Feinden von außen, sondern auch den Feinden von innen zeigt. Extremismus ist im Nahen Osten kein ausschließlich islamisches oder arabisches Phänomen. Es gibt auch jüdischen Extremismus, der Israels Demokratie bedroht.

Doch wenn am Ende rund um Gaza wieder die Waffen sprechen, dann wird auch jetzt wieder dafür keine Zeit sein. Der Krieg geht vor - und wird auf diese Weise immer neu befeuert.

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