Extremismus: Gefahr durch radikale Imame:Hochsaison für Islamisten

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Besonders zwischen Weihnachten und Neujahr laden die radikalsten Islamprediger gern zu mehrtägigen Kursen ein, um ihre Anhänger zu indoktrinieren. Verfassungsschützer beobachten dies mit Sorge.

Jan Bielicki

Es geht früh los in der As-Sunna-Moschee von Elsdorf. "06:40 Aufstehen", heißt es auf dem Tagesplan. Das erste von den vorgeschriebenen fünf Gebeten folgt kurz darauf, und in den Zeiten dazwischen drängen sich dicht an dicht Vorträge bis um 0.30 Uhr in der Nacht. 4,50 Euro haben die Veranstalter als Tagesbeitrag für Kost und Logis erbeten. Was dafür über die drei Weihnachtsfeiertage in dem "Islambildungstreff" in der Moschee der kleinen Gemeinde westlich von Köln zur Sprache kam, erschien harmlos genug. Diskutiert wurde über Versmaß, Zusammenstellung und Lesarten des Koran. Nordrhein-Westfalens Verfassungsschützer hatten trotzdem ein wachsames Auge auf diesen weihnachtlichen Religionsunterricht.

Der Leipziger Imam Hassan Dabbagh alias Abu Alhussain gehört zu den Lehrenden des "Islambildungstreffs". Im Internet wird er wie ein Popstars präsentiert und er zählt zu den radikalsten Islampredigern Deutschlands. (Foto: REUTERS)

Denn die Lehrenden, die im Internet wie Popstars präsentiert werden, zählen zu den radikalsten Islampredigern Deutschlands. Hassan Dabbagh alias Abu Alhussain, Talkshow-erfahrener Imam aus Leipzig, und der Bonner Mohamed Benhsaid alias Abu Jamal stehen seit langem unter Beobachtung der Behörden. Und die Elsdorfer As-Sunna-Moschee ist Beobachtern der Islamisten-Szene schon lange ein Begriff. Schon in den Jahren zuvor lauschten hier regelmäßig zur Weihnachtszeit Muslime aus ganz Deutschland radikalen Predigern.

Denn Weihnachten und Neujahr sind Hochsaison für Islamisten. Gerade an christlichen Feiertagen lädt die Szene ihre Anhänger gern zu oft mehrtägigen Veranstaltungen. "Das ist keine neue Entwicklung", heißt es im nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz - aber eine, die von den Behörden mit Sorge gesehen wird.Denn an arbeits- und schulfreien Tagen ließen sich in Seminaren wie in Elsdorf "insbesondere junge Leute von salafistischen Predigern indoktrinieren", befürchten die Verfassungsschützer. Problematisch seien diese Seminare vor allem deshalb, "weil sie ausreichend Raum und Zeit für Gruppenbildung und extremistische Einflussnahme durch oft charismatische Vortragende bieten".

Gemeint sind vor allem Prediger aus dem Netzwerk der sogenannten Salafiten, Anhänger einer fundamentalistischen Strömung des Islam, die eine Gesellschaft nach dem angeblichen Vorbild der Urgemeinde des Propheten Mohammed anstrebt. Star dieser Szene ist der ehemalige Boxer Pierre Vogel, der in rheinischem Singsang einen strengen Islam saudischer Prägung verkündet, Gewalt und Terror jedoch verurteilt. Die ihm verbundene Gruppe "Einladung zum Paradies" (EZP) bekam vorige Woche Besuch von der Polizei. Auf Anweisung von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) durchsuchten die Beamten Vereinsräume und Privatwohnungen führender Funktionäre nach Material, das ein Verbot des Vereins begründen könnte.

Der Druck auf die Szene wirkt. Mehrere angekündigte Auftritte Vogels fallen nun aus. In Konstanz erklärte die Stadtverwaltung das Dach einer städtischen Halle, die Anhänger des Predigers bereits angemietet hatten, wegen Schneefalls für einsturzgefährdet. Und mit Geldmangel begründete die Al-Nur-Moschee in Berlin-Neukölln die Verschiebung eines Seminars, an dem über Weihnachten auch Vogel teilnehmen sollte.

Allerdings bezweifelt die Islamismus-Expertin Claudia Dantschke vom Berliner Zentrum Demokratische Kultur, dass die Verantwortlichen der schon öfter als Treffpunkt radikaler Muslime aufgefallenen Moschee aus Einsicht gehandelt haben: "Denen war der öffentliche Druck einfach zu groß", sagt Dantschke.

In einer anderen Moschee in Neukölln genügten Anrufe des Berliner Staatsschutzes: Die Führung des kleinen, vornehmlich von Einwanderern aus Bangladesch besuchten Gebetshauses zeigten sich ahnungslos, wem sie im Oktober ihre Räume überlassen hatten. Dabei gilt die Gruppe "Die wahre Religion", die hier ein Seminar abhalten wollte, als noch einmal deutlich radikaler als die EZP. Deren Kopf, der Kölner Geschäftsmann Ibrahim Abou Nagie, preist auf Internet-Videos den Märtyrertod: "Möge Allah uns alle als Märtyrer sterben lassen. Das ist mein Wunsch."

Wie schwierig es ist, rechtlich gegen die Radikalen vorzugehen, zeigt das Beispiel der Weihnachtsprediger von Elsdorf: Erst im Herbst scheiterte die Staatsanwaltschaft München vor Gericht mit einer Anklage, in der sie Dabbagh, Benhsaid und anderen die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen hatte.

Islamismus-Fachfrau Dantschke hält ohnehin ein anderes Vorgehen für wichtiger: Nachdem das Treiben der islamistischen Eiferer endlich Aufmerksamkeit gefunden habe, "müssen wir jetzt die indoktrinierten Jugendlichen wieder in die Gesellschaft zurückholen". Das freilich "geht nur mit lokalen Initiativen".

© SZ vom 27.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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