Exporte:Bisher nur Blechschaden

Exporte: "Der größte Autoexporteur in den USA": In den Fertigungsstraßen in Spartanburg werden fast alle Stadtgeländewagen von BMW weltweit gebaut.

"Der größte Autoexporteur in den USA": In den Fertigungsstraßen in Spartanburg werden fast alle Stadtgeländewagen von BMW weltweit gebaut.

(Foto: Fred Rollison)

BMW und die anderen deutschen Autohersteller reagieren auf die Tiraden aus den USA einigermaßen gefasst. Noch haben sie dafür gute Gründe.

Von Max Hägler

Es wird weiter gebaggert und betoniert, auch an diesem Montag. Neue Fabrikhallen wachsen in die Höhe in San Luis Potosí, einer Stadt in der Mitte von Mexiko, geprägt von monumentalem Kolonialstil. Nun kommt Stahlbeton hinzu. In zwei Jahren sollen hier 3er-BMWs vom Band rollen, 150 000 Stück im Jahr. Wie geplant, trotz der Drohungen des künftigen US-Präsidenten Donald Trump.

Natürlich war es vorbei mit der Ruhe, als die Vorstände der Bayerischen Motoren-Werke in der Nacht zu Montag die Interview-Äußerungen des künftigen US-Präsidenten mitbekamen: "Ich würde BMW sagen, wenn sie eine Fabrik in Mexiko bauen und Autos in die USA verkaufen wollen ohne eine 35-Prozent-Steuer, dann können sie das vergessen." Ähnliche Drohungen gegen Unternehmen, die in Mexiko für den US-Markt produzieren, waren in den vergangenen Wochen schon häufiger zu hören. Doch nun haben sie München erreicht.

Die Bayern wollten Autos aus Mexiko in die USA liefern. Das könnte sich nun ändern

Allerdings, nach tiefem Durchatmen und einer kurzen Analyse der Lage, kehrte am Vormittag im Vierzylinder, der BMW-Zentrale in München, wieder ein wenig Gelassenheit ein - und der Hersteller vermeldete: "Die Bauarbeiten gehen weiter wie geplant!" Ist das nicht eine Provokation? Und will man ernsthaft 35 Prozent Zoll zahlen, gerechnet auf den Neuwert des Wagens?

Dazu äußert sich bei BMW öffentlich niemand. Auch die anderen deutschen Hersteller, die allesamt in Mexiko engagiert sind, schweigen. Doch an diesem Montag wird deutlich: Die deutsche Automobilbranche gibt sich selbstbewusst - und prüft zugleich neue (Export-)Wege. Zum Beispiel, dass von 2019 an 3er-BMWs für den deutschen Markt in Mexiko gebaut werden - und dafür Exemplare aus den Standorten in München und Regensburg wie bisher ihren Weg in die USA finden: per Bahn nach Bremerhaven und dann aufs Schiff. Das kostet zwar einige Hundert Euro pro Wagen, aber die Zollgebühren für Autos aus Deutschland betragen in den USA nur 2,5 Prozent des Warenwertes.

Damit würde indes ein Prinzip ad absurdum geführt, das die Branche bisher geleitet hat: dort zu bauen, wo Nachfrage besteht. Mexiko ist bislang ein guter Standort, weil die Leute ordentlich ausgebildet sind, aber die Löhne niedriger als in den benachbarten USA - und weil es das Freihandelsabkommen Nafta gibt, mit dem Kanada, die USA und Mexiko einen Binnenmarkt geschaffen haben.

Die deutschen Hersteller hoffen zugleich, dass sich Trump oder zumindest seine Leute nach Amtsantritt doch noch anderer Aspekte erinnern: an die vielen Jobs und die Steuerzahlungen. Also daran, dass die Deutschen zu Amerikas Erfolg beitragen - in Amerika. "Wir waren 2015 der größte Autoexporteur in den USA", sagen sie etwa bei BMW.

In Spartanburg, South Carolina, ist seit 1994 eine Fabrikanlage entstanden, die größer ist als etwa das Werk Dingolfing. Fast alle Stadtgeländewagen der X-Reihe werden hier gefertigt von 8800 Mitarbeitern, bald kommt ein neues Modell dazu, der X7, in dessen Start eine Milliarde Euro investiert wird. Insgesamt stünden, die Zulieferer und Partner eingerechnet, etwa 70 000 Leute bei BMW in Lohn und Brot, sagen sie bei BMW. Mehr als zwei Drittel der SUVs aus Spartanburg gehen in den Export, etwa nach Deutschland. Was derzeit zehn Prozent Zoll kostet. Diese bilateralen Zölle bleiben bestehen, hofft die Branche.

Rund um San Luis Potosí sind auch andere Industrieunternehmen aus Deutschland engagiert, der Autozulieferer Continental etwa oder der Waagen-Spezialist Bizerba. Und auch Daimler, noch ein deutscher Hersteller im Visier von Trump. "Wenn man durch die 5th Avenue geht, hat jeder einen Mercedes Benz vor seinem Haus stehen", sagt der Immobilienmilliardär über seinen Wohnort in New York. Aber das sei "unfair", beklagt er. "Wie viele Chevrolets sehen Sie in Deutschland? Nicht allzu viele, vielleicht gar keine."

Das ist in zweierlei Hinblick eine etwas unzureichende Sicht auf den Autoverkehr in den USA. Zum einen sieht das Straßenbild zunehmend anders aus, je weiter man sich von Trumps Turm in Manhattan wegbewegt. In anderen Stadtteilen und erst recht Bundesstaaten sind Mercedes, BMW, VW oder Audi deutlich seltener zu sehen; insgesamt beträgt der Marktanteil deutscher Hersteller in den USA acht Prozent.

Daimler will Trumps Äußerungen nicht kommentieren. Das dann womöglich folgende Hin-und-Her-Getwittere schätzen sie in Stuttgart-Untertürkheim nicht; stattdessen legen sie ebenfalls ganz nüchtern einige Zahlen vor: In Tuscaloosa, dem großen Daimler-Werk im US-Bundesstaat Alabama, bauen 22 000 Mitarbeiter Mercedes-Stadtgeländewagen, von denen viele in den Export gehen. 5,8 Milliarden Euro habe man bislang an diesem Standort investiert. Und dann ist Daimler auch Hersteller von Nutzfahrzeugen, unter anderem von gelben Schulbussen. Natürlich hat Daimler in Mexiko auch eine Produktion: für Kompaktfahrzeuge, sie wird gerade aufgebaut, auch Laster werden dort zusammengeschraubt. Die Haltung bei Daimler lässt sich so zusammenfassen: Angesichts dieser Verhältnisse will man uns unfaires Verhalten vorwerfen? Da schwingt eine Aufforderung an die neue US-Regierung mit: bitte erst mit den Fakten vertraut machen.

Das betrifft auch die deutschen Straßen. Tatsächlich fahren in Deutschland einige Chevrolets, es sind 250 000. Es könnten mehr sein, sagt der deutsche Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel: "Dafür müssen die USA bessere Autos bauen." Zumal, was Trump unterschlagen hat, die US-Amerikaner auch in Deutschland produzieren. Der Chevrolet-Mutterkonzern General Motors (GM) besitzt seit dem Jahr 1929 eine nicht ganz unwesentliche deutsche Automarke mit Hauptsitz in Rüsselsheim: Opel. Ford siedelte sich in den 1920er-Jahren in Berlin an und baute bald ein Werk in Köln - aus einem Grund, der gerade wieder aktuell zu werden droht: Schutzzölle behinderten damals die Einfuhr der US-Wagen nach Deutschland.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: