Ex-Umweltminister Töpfer zur Entwicklungshilfe:Wir brauchen vernetztes Handeln!

Die Umwelt wird zerstört, aber das ist nicht alles. Die bisherige Entwicklungspolitik sorgt auch dafür, dass die Armen weiterhin wenig zu essen haben. Und gleichzeitig droht die globale Temperatur über das beherrschbare Maximum zu steigen. Es ist deshalb höchste Zeit für Strategien, die Armut, Hunger und Erderwärmung als ein Problem begreifen - und bekämpfen.

Klaus Töpfer

Stark schwankende Nahrungsmittelpreise, extreme Wetterereignisse und die jüngsten Voraussagen zur Entwicklung des Klimawandels werfen eine ernste Frage auf: Können wir im 21. Jahrhundert genug Nahrungsmittel auf nachhaltige Weise produzieren, um die Weltbevölkerung zu ernähren?

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Klaus Töpfer, 73, war Umweltminister und Chef des UN-Umweltprogramms in Nairobi. Der CDU-Politiker ist Direktor des Institute for Advanced Sustainability Studies in Potsdam.

(Foto: dpa)

Die Bemühungen, ausreichend Nahrung für alle zu produzieren, werden zunehmend vom Mangel an Wasser und Energie gefährdet. In vielen Ländern werden die Sektoren Wasser, Energie und Ernährungssicherung unabhängig voneinander entwickelt und verwaltet - ohne zu berücksichtigen, dass sie miteinander interagieren und voneinander abhängen. Isolierte Lösungen helfen aber nicht weiter. Um ausreichende Ernährung nachhaltig zu sichern, brauchen wir vernetztes Denken und Handeln. Wir müssen heraus aus den Elfenbeintürmen!

Darum geht es bei der Konferenz "The Water, Energy and Food Security Nexus" in dieser Woche in Bonn: die isolierten Lösungsansätze einzelner Disziplinen, Sektoren und Institutionen zu überwinden. Über die Wirkungszusammenhänge zwischen den Sektoren Wasser, Energie und Nahrungssicherheit diskutieren 500 Fachleute aus Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Unternehmen. Sie suchen nach vernetzten Lösungen für die Zukunft. Die Konferenz ist ein wichtiger Beitrag Deutschlands zur UN-Konferenz für nachhaltige Entwicklung im kommenden Jahr in Rio de Janeiro.

Für den Anbau von Nahrungsmitteln werden weltweit Ressourcen verschwendet: Das verursacht hohe wirtschaftliche, ökologische und soziale Kosten. Wasser und Energie stehen oft kostenlos oder zu hoch subventionierten Preisen zur Verfügung. Die Folge: Bauern verbrauchen mehr von diesen Ressourcen, als nötig wäre und tragen so zu deren Verknappung bei. Wenn wir unser Wasser weiter so vergeuden wie bisher, werden Nahrungsmittelpreise weiter ansteigen. Zudem ist dann um das Jahr 2050 knapp die Hälfte der globalen Getreideproduktion starker Wasserknappheit ausgesetzt.

Obwohl die Landwirtschaft 80 Prozent des Wassers verbraucht, konzentrieren sich Einspar-Strategien bislang auf Haushalte und Industrie. Was die Landwirtschaft tun müsste, um nachhaltig mit Wasser umzugehen, wird selten überdacht. Andererseits verringern Verstädterung und Industrialisierung die Menge an sauberem Wasser, das für die Nahrungsmittelproduktion benötigt wird. Im Bereich Energie wird verstärkt auf Biosprit der ersten Generation gesetzt: aus Mais gewonnenes Ethanol und Diesel auf Soja-Basis. Beides konkurriert mit dem Anbau von Nahrungsmitteln um die knappen Ressourcen Land, Wasser, und Energie.

Diese Politik zerstört nicht nur die Umwelt, sie sorgt auch dafür, dass die Armen weiterhin zu wenig zu essen haben. Und es kommt noch schlimmer. Jüngste Studien haben ergeben, dass Treibhausgase die globale Temperatur um mehr als die zwei Grad Celsius ansteigen lassen werden, die als beherrschbares Maximum gelten.

Lernen, wie alles zusammenhängt

Angesichts dieser aktuellen Bedrohungen überprüfen viele Länder ihre bisherigen Praktiken. Dies birgt die große Chance, Strategien für Ernährungssicherheit mit Wasser- und Energiepolitik zu verknüpfen. Wir müssen endlich lernen, wie sich Strategien zur Ernährungssicherung auf die Energie- und Wasserversorgung auswirken - und wie umgekehrt Entscheidungen in der Wasser- und Energiepolitik, insbesondere der Umgang mit Biosprit, die Sicherung von Nahrung beeinflussen.

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Warten auf eine Mahlzeit: Kinder in einer Grundschule in der Nähe von Harare, der Hauptstadt Simbabwes, erhalten mit Hilfe von Unicef zumindest ein Mal täglich etwas zu essen. Um ausreichende Ernährung nachhaltig zu sichern, ist ein politisches Umdenken erforderlich. Die jetzigen Unzulänglichkeiten gehen vor allem zu Lasten der Armen.

(Foto: dpa)

Wenn arme Kleinbauern Besitztitel auf Land und Wasser bekommen, verbessert dies ihre Rechte, erhöht aber auch ihre Eigenverantwortung im Umgang mit diesen Ressourcen. Es müssen erschwingliche Technologien entwickelt und vor allem verstärkt eingesetzt werden, die einen Ressourcen schonenden Anbau ermöglichen. In manchen Ländern des südlichen Afrikas zum Beispiel wird zu wenig Dünger verwendet. Dort können Bauern mit einem integrierten Ansatz die Fruchtbarkeit ihrer Böden wirksam verbessern. Sie verbinden den Einsatz von Kunstdünger mit Kompost oder Stallmist - ein effizientes Verfahren, um nicht nur die Ernteerträge erheblich zu steigern, mehr Wasser im Boden zu binden, sondern um auch die Energieeffizienz zu vergrößern.

In anderen Ländern wird, meist aufgrund von Subventionen oder fehlender Information vor Ort, zu viel Kunstdünger ausgebracht, trotz steigenden Energiekosten. Dabei könnten Farmer Dünger viel effizienter nutzen, indem sie den Bodenbedingungen angepasste Pflanzensorten nutzen oder langsam auflösende Dünger einsetzen. Diese bringen ihre Nährstoffe nach und nach aus, und zwar so, wie die Pflanze sie braucht. Es muss weniger oft gedüngt werden, was wiederum die Verschmutzung des Grundwassers reduziert.

Weiterhin sind einfache und preiswerte Methoden der natürlichen Wasseraufbereitung, wie zum Beispiel mit Hilfe eines Schilfrohr-Beetes, ohne großen Aufwand umzusetzen. Rückhaltebecken, die Starkregen auffangen, der mancherorts durch den Klimawandel entsteht, können zusätzlich als Wasserkraftanlagen fungieren oder tragen dazu bei, die vielerorts durch landwirtschaftliche Bewässerung stark beeinträchtigten Grundwasserreserven zu schonen. Mehr und mehr erzielen Schwellenländer wie China und Malaysia starke Erfolge bei der Einsparung von Energie und Wasser durch eine Bewässerung, bei der die Pflanze nur dann Wasser bekommt, wenn sie es braucht.

Das sind nur einige Beispiele dafür, wie sich die Synergien zwischen Ernährung, Wasser und Energie erhöhen und schädliche Wechselwirkungen verringern lassen. Außerdem muss mehr interdisziplinär geforscht werden, um sektorübergreifende Innovationen zu forcieren. Nachhaltige, technische Lösungen können überdies nur umgesetzt werden, wenn es auch ein politisches Umdenken gibt, das die komplexen Zusammenhänge berücksichtigt.

Wir können nicht warten, denn die isolierten Ansätze gehen primär zu Lasten der Armen. Sie leiden zuerst und am stärksten unter den Unzulänglichkeiten der jetzigen Politik. Es ist deshalb höchste Zeit für Strategien, die die Ernährung der Welt nicht länger bedrohen, sondern dauerhaft sichern.

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