Ex-RTL-Chef als Gesellschaftskritiker:Helmut Thoma: Krach im Kölner Klüngel

Helmut Thoma wurde "Mister Privatfernsehen". In Köln zog er RTL hoch, eng begleitet von der SPD-Politik. Nun rechnet der Ex-Senderchef mit Kölner Verhältnissen ab - die Sache geht vor Gericht.

Laura Martin

Als Wiener ist Helmut Thoma an Skandale und Affärchen gewohnt. Österreichs Hauptstadt gilt als nördlichste Stadt des Balkans.

KÖLN-ARENA - DURCHSUCHUNG BEI HOLZMANN

Blick auf die Lanxess-Arena, ehemals Köln-Arena: Als sie 1996 erbaut wurde, sollte sie Europas modernste Eventhallte werden. Heute ist sie vor allem Anlass für Ärger.

(Foto: dpa)

Aber auch die für ihren Klüngel bekannte Stadt Köln, seit einigen Jahren die neue Heimat des TV-Managers, hat einiges zu bieten. So viel, dass der Gründer und langjährige Chef des Privatsenders RTL, den sie zu seinen besten Zeiten "Mister Privatfernsehen" nannten, in der örtlichen Zeitung loslegte wie einst Olaf Kracht in Der heiße Stuhl, einer Krawallshow Marke Thoma.

Nun ätzte der 71-Jährige im Kölner Stadt-Anzeiger gegen Leute, die er von früher gut kennt, und redete die Veranstaltungshalle Lanxess-Arena, ehemals als Köln-Arena bekanntgeworden, in Grund und Boden. Das allerdings zog unerwartete rechtliche Konsequenzen nach sich.

Thoma sprach über die skandalgebeutelte Rheinmetropole und wunderte sich, dass niemand aufschreie. Unter anderem kritisierte er das Vorgehen des früheren Kölner Oberstadtdirektors Lothar Ruschmeier bei der Planung der Köln-Arena. Wörtlich sagte Thoma: "Nehmen Sie den früheren Oberstadtdirektor Lothar Ruschmeier. Der hat einen Vertrag für die langjährige Miete der Köln-Arena bzw. des Technischen Rathauses unterschrieben, den Stift zur Seite gelegt und ist am nächsten Tag als Geschäftsführer bei Esch eingetreten. Also bei der Holding, die mit ihren Immobilienfonds von dieser üppigen Miete lebt."

Das Technische Rathaus ist der Sitz der technischen Ämter wie zum Beispiel dem Baureferat. Gemeinsam mit der 18.000 Zuschauer fassenden Arena wurde es 1996 im Stadtteil Deutz gebaut - als Mieter des Rathauses finanziert die Stadt die Veranstaltungshalle auf diese Weise mit. Bauherr sowohl der Arena als auch des Rathauses ist der Immoblienfonds "Köln-Deutz Arena" der in der Domstadt notorisch aktiven Oppenheim-Esch-Holding. Die Holding wiederum gehört dem Bauunternehmer Josef Esch und der Privatbank Sal. Oppenheim.

Lothar Ruschmeier war zu der Zeit der Planungen in den neunziger Jahren Oberstadtdirektor; ein Amt, das 1999 abgeschafft wurde. Er warb im Kölner Stadtrat für das Großprojekt - eine moderne Halle für Köln, ein neues Rathaus für die Verwaltung. Alles, was die Stadt zahlen müsse, ist die Miete.

Tatsächlich scheint nicht alles ganz sauber gespielt worden zu sein: Die Causa Köln-Arena erregte die Aufmerksamkeit der Klüngel-Fahnder. Die Miete für das Rathaus ist nach Medienberichten ungewöhnlich hoch. Den Mietvertrag, der über 30 Jahre läuft, nannte der ehemalige und inzwischen verstorbene Kölner Oberbürgermeister Harry Blum (CDU) den "vermieterfreundlichsten Vertrag in ganz Köln". Zudem ist von versteckten Dauersubventionen aus öffentlicher Hand und damit verbundener Intransparenz die Rede.

Umstrittener Jobwechsel

Vor allem aber erhitzte Ruschmeiers Karriere die Gemüter: Nachdem er als Verwaltungschef die Stadt auf 30 Jahre Mietzahlung verpflichtet hatte, wechselte er den Job - und stieg 1998 bei der Oppenheim-Esch-Holding ein. Der ehemalige RTL-Boss Thoma hält das im Kölner Stadt-Anzeiger für skandalös.

Ruschmeier sieht das anders und erwirkte am 31. August vor der 24. Zivilkammer am Landgericht Hamburg eine einstweilige Verfügung. Thoma ist es nun verboten, den Eindruck zu erwecken, Ruschmeier habe zu dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Köln-Arena bereits beabsichtigt, zur Oppenheim-Esch-Holding zu wechseln.

Das habe er so nie gesagt, verteidigt sich Thoma im Gespräch mit sueddeutsche.de. "Hier ist von einer angeblichen Wertung die Rede, die ich nie so vorgenommen habe. Ich unterstelle nicht, dass der Vertrag zu Gunsten von Oppenheim-Esch gemacht wurde. Ich finde es nur nicht in Ordnung, so kurzfristig die Stellen zu wechseln." Der ehemalige Oberbürgermeister Blum sei doch mit seiner Bemerkung über den Vertrag als den "vermieterfreundlichsten ganz Kölns" viel weiter gegangen.

Helmut Thoma war einst als RTL-Chef maßgeblich am Aufbau des Medienstandorts Köln beteiligt, sehr zum Wohlwollen der damals an Rhein und Ruhr regierenden SPD und seines Freundes Wolfgang Clement. Auch Ruschmeier ist Genosse.

Der Esch-Vertraute erwidert nun auf die Anwürfe Thomas, dass die Verhandlungen für den Köln-Arena-Mietvertrag bereits Ende des Jahres 1995 liefen; da sei auch ein verbindlicher Mietvorvertrag geschlossen worden. In die Holdinggesellschaft sei er erst im April 1998 eingetreten.

TV-Mann Thoma wiederum hält das für fadenscheinige Argumente. "So ein großes Projekt schließt man ja nicht so schnell ab. Auf die Grundsatzentscheidung 1995 folgte erst Ende 1997 die Unterschrift unter den endgültigen Mietvertrag. Und Ruschmeier war von Anfang bis Ende involviert." Außerdem sei auch der Wechsel Ruschmeiers zu der Holding sicher nicht von einem Tag auf den anderen vereinbart worden, argumentiert Thoma.

Hier bahnt sich ein handfester Gerichtsstreit über die Vergangenheit an. Der einstige Mister Privatfernsehen gegen den einstigen Immobilienkönig, das könnte fast Stoff für eine RTL-Klamotte sein.

"Dass das alles so hingenommen wird von den Kölnern!", wundert sich Thoma. Er werde die Verfügung aus Hamburg gerichtlich bekämpfen. Es sei nicht sein Ziel gewesen, vor den Kadi zu ziehen - "aber wenn Ruschmeier es will, tue ich das. Ich geb' da nicht nach. Wieso soll ich einen richtigen Sachverhalt widerrufen? Dann wär ich der Einzige in ganz Köln, der das nicht mehr sagen darf!"

Neue Sicht auf TV-Studios Köln-Ossendorf

Thoma sieht sich gewissermaßen zensiert: "Man kann doch seine Meinung sagen! Ich kann das alles als skandalös empfinden oder als ganz toll, das ist ja eine individuelle Angelegenheit." Als RTL-Chef hätte er es noch direkter gesagt. "Ich finde das nicht in Ordnung und das wird man ja wohl sagen dürfen." Und: "Warum Ruschmeier auf meine Person abzielt, verstehe ich nicht", beklagt Thoma.

Der einstige Spitzenbeamte dagegen moniert falsche Tatsachenbehauptungen. In einer eidesstattlichen Versicherung führt Ruschmeier an, die Verhandlungen über den Bau der Köln-Arena von 1994 bis Ende 1995 mitgeführt zu haben: "Ich war zu der Zeit etwa in der Mitte meiner Amtszeit und plante keinen Wechsel in die Privatwirtschaft." Der verbindliche Mietvertrag sei im November/Dezember 1995 "notariell beurkundet bzw. genehmigt" worden. Eine strafrechtliche Überprüfung der Causa sei im Sommer 2005 von der Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main eingestellt worden.

In dem Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger bietet Ex-RTL-Chef Thoma auch eine ganz neue Sicht auf den Bau der großen TV-Produktionshallen in Köln-Ossendorf durch Oppenheim-Esch an, jenen Komplex, der später Coloneum genannt wurde. Josef Esch sei hinter ihm hergewesen, dass sich RTL daran beteilige, er aber habe das nicht eingesehen: "Lustigerweise ist es ihm auch gelungen, Bertelsmann, den Mutterkonzern von RTL, davon zu überzeugen, dass man das machen sollte." Es sei "völlig verrückt" gewesen, dort so viele Fernsehstudios hinzubauen.

Bertelsmann wurde damals von Thomas Middelhoff gelenkt - jenem Manager, der später in Oppenheim-Esch-Fonds für Karstadt-Kaufhäuser investierte und dann Chef des mittlerweile pleitegegangenen Karstadt-Quelle-Konzerns (Arcandor) wurde.

Zeitzeugen berichten jedoch, dass das RTL-Management sehr wohl die Ossendorf-Pläne befördert habe. Der Sender war an der Studio-Gesellschaft MMC beteiligt, in Zusammenspiel mit den Brüdern Bernd und Helmut Breuer, die Thoma gut kannte. Und als der TV-Manager später in der Funktion eines One-Dollar-Beraters dem Ministerpräsidenten Clement diente, habe er auch nie gewarnt.

Thoma bleibt dabei: Er habe sich breitschlagen lassen, ursprünglich sei in Ossendorf ja ein Einkaufszentrum geplant gewesen. Sicher ist, dass nachher die Sparkasse Köln-Bonn das Risiko Ossendorf trug: "Die scheint alles zu zahlen", meint der Ex-RTL-Chef.

Den Wiener Schmäh hat Helmut Thoma auch im Kölner Klüngel nicht verloren.

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