Ex-Außenminister über die Kanzlerin:Joschka Fischer: Merkel hat's versemmelt

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"Blamabler Vorgang": Ex-Außenminister Fischer findet, dass Angela Merkel bei ihrem "Rendezvous mit der Geschichte" keine gute Figur gemacht hat.

Die heutige Presseschau hat Angela Merkel sicher nicht gefallen: Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer klagt über "Führungsschwäche" der Bundeskanzlerin und die Länder sperren sich gegen die Bafög-Erhöhung. Aus Baden-Württemberg klagt der CDU-Raufbold Stefan Mappus, dass die Steuersenkung für Hotels ein Fehler gewesen sei. Und nun meldet sich auch noch Joschka Fischer zu Wort - der langjährige Lieblingspolitiker der Deutschen attestiert Angela Merkel ein Totalversagen.

Joschka Fischer teilt aus: "Ich kann mich nicht erinnern, dass es seit 1949 einen ähnlich blamablen Vorgang schon einmal gegeben hat", sagte der 62-Jährige über das Verhalten der Kanzlerin in der Euro-Krise. (Foto: Foto: dpa)

Ex-Außenminister Fischer sagte in einem Gespräch mit dem Magazin Spiegel: "Angela Merkel hatte in den vergangenen Wochen ihr Rendezvous mit der Geschichte. Das hat sie, anders als Helmut Kohl nach dem 9. November 1989 oder Gerhard Schröder nach dem 11. September 2001, ziemlich versemmelt."

Wäre die Bundeskanzlerin nicht gewesen, hätte Europa schon viel früher handeln können, sagte der Grünen-Politiker laut einer Vorabmeldung. Deutschland ist laut Fischer in der EU isoliert wie niemals zuvor und muss dennoch finanziell die Hauptlast schultern. "Ich kann mich nicht erinnern, dass es seit 1949 einen ähnlich blamablen Vorgang schon einmal gegeben hat", sagte der 62-Jährige.

Der Grünen-Politiker und langjährige Außenminister kritisierte indirekt auch seinen Nachfolger Guido Westerwelle. Die Europazuständigkeit sei nach wie vor im Auswärtigen Amt, sagte er: "Wenn ein politischer Wille da ist und die Energie, und wenn man für Europa brennt und Ideen entwickelt, dann wird einen auch heute niemand daran hindern können, sich einzumischen."

Dass etwa FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble eine ausdrückliche Verzichtserklärung auf Steuererhöhungen fordert, ist da schon eine Petitesse. "Der Druck, wirklich zu sparen, muss bleiben", sagte Fricke im ZDF. Deshalb müsse der Minister endlich "sagen, dass es mit ihm keine Steuererhöhungen in dieser Legislaturperiode geben wird. Das vermisse ich noch", sagte Fricke.

Unnötigerweise meldet das aktuelle ZDF- Politbarometer auch noch, dass die Kanzlerin vor dem Hintergrund der Finanzkrise zusehens an Ansehen verliert. Auf der Liste der zehn wichtigsten Politikerinnen und Politiker rutschte sie seit April von plus 1,8 auf plus 1,3 Punkte ab, ergab die Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen.

Immerhin: Im Bundestag hat Schwarz-Gelb eine Mehrheit für das Euro-Hilfspaket zustande bekommen. Im Vergleich mit Vizekanzler Guido Westerwelle schneidet Merkel noch ganz gut ab. Dieser belegt Platz zehn von zehn beim Ranking der sympathischsten Politiker, Merkel liegt nach Guttenberg auf Rang zwei. Und in der kommenden Woche darf die Kanzlerin Pause von Europa machen. Am Pfingstmontag reist Angela Merkel in den Nahen Osten, um dort mit einer Wirtschaftsdelegation vier Länder zu besuchen. Doch die Nachrichten über Zwischenrufe der Parteifreunde und die Kritik der politischen Gegner werden sie auch dort erreichen.

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