Europawahl 2009:Zartes Schwarz-Gelb

Die Beteiligung an der Europawahl in Deutschland ist desaströs, dennoch werden bundespolitische Trends offenbar: Was die Ergebnisse für die SPD, Angela Merkel, die Liberalen - und die mögliche nächste Koalition in Berlin bedeuten.

Heribert Prantl

Die Europawahl hat in Deutschland immer einen Spielwahl-Charakter gehabt. Das wird zwar Europa nicht gerecht, aber es war so und ist so. Wegen der desaströsen Wahlbeteiligung zeichnet diese Wahl ein nur undeutliches Bild von der politischen Stimmungslage. Die Wahlbeteiligung ist so unwürdig niedrig, dass man fast von einem demokratischen Zusammenbruch reden kann.

Die Grafik zur Europawahl Europawahl

Auch als innenpolitische Testwahl kann sie daher nur sehr eingeschränkt gelten; eine Trendwahl ist sie gleichwohl. Der Trend sagt erstens: Das Desaster der SPD nimmt kein Ende. Zweitens: Die unglaubliche Fortune der Angela Merkel, die mit der Europawahl vor fünf Jahren begann, geht zur Neige. Drittens: Die Bäume der FDP wachsen hoch, aber nicht in den Himmel. Viertens: Eine schwarz-gelbe Koalition nach der Bundestagswahl konturiert sich.

Das Beste, was man über die Lage der SPD sagen kann, ist dies: Sie stabilisiert sich nach einer Serie von katastrophalen Europa-Wahlergebnissen auf niedrigstem Niveau. Bei der Europawahl 2004 war sie so tief gefallen wie noch keine Volkspartei nach 1949. Der Fall der SPD war schon kein Fall mehr, er war ein Verfall. Die SPD hatte 2004 die demütigenden Ergebnisse der zwei Europawahlen vorher, ja selbst ihres schlechtesten Bundestagswahlergebnisses von 1953 noch einmal unterboten. Schlimmer ging's nimmer. Genauso schlimm schon. Wenn Parteichef Franz Müntefering nun, im, tiefsten Loch, den Aufstieg der SPD beschwört, dann erinnert das eher an den fatalen Optimismus jenes Frosches, der "aufwärts geht's" sagte, als ihn der Storch aus dem Tümpel gefischt hatte.

Die Prozente der SPD sind zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Die Partei hat sich mit den Überresten des Schröder-Lagers in die große Koalition geflüchtet und fristet dort ihr Dasein. Die Hoffnungen freilich, die sich Müntefering und Frank-Walter Steinmeier für die Bundestagswahl machen, haben als Basis nur die Kraft der Illusion. Wie aus dieser Partei wieder ein Hoffnungsträger werden könnte, wissen nicht einmal die Parteienforscher, die sonst alles wissen. Jahre nach der Agenda 2010 und Jahre nach Hartz IV steht die SPD immer noch so schlecht da wie damals. Der schlechte Ruf der SPD hat sich verfestigt: die SPD als Sündenbock-Partei Deutschlands.

Die CDU hat nun lange von der Schwäche der SPD profitiert - und ihre Stärke vor allem daraus bezogen; es war auch eine geliehene Stärke. Der Verfall der SPD ließ die Merkel-CDU besser aussehen als sie war. Diese Zeit geht nun zu Ende, weil der Verfall der SPD zu Ende geht. Noch schwächer als jetzt kann die SPD nicht werden. In dem Maß, in dem sich die SPD in der Schwäche stabilisiert, braucht die CDU wieder einen Halt, der aus ihr selbst kommt. Aber dabei kommt Angela Merkel an ihre Grenzen: Sie ist, so beschreibt das ihr Biograph Gerd Langguth, eine Generalistin ohne historische Fixierung und abseits der politischen Kulturtradition der CDU.

Merkels allgemeine Popularitätswerte vermitteln einen verzerrten Eindruck von ihren Ressourcen in der CDU. Der Mainzer Politologe Gerd Mielke meint gleich gar, die CDU müsse "eine stille Form der Implosion der eigenen Anhängerschaft" befürchten. Solange diese Implosion noch so beachtliche Wahlergebnisse zeitigt wie jetzt, muss Merkel nicht zittern; sie verliert Prozente und ist trotzdem Wahlsiegerin. Aber der Wahlkampf hat erst begonnen. Der Wechsel von der Präsidialkanzlerin zur Wahlkämpferin, die die ganze Union mobilisieren muss, gelingt Merkel nicht besonders gut.

Horst Seehofer dagegen, der CSU-Chef, kann es. Die Wahlbeteiligung in Bayern, die besser ist als im übrigen Bundesgebiet, geht auch darauf zurück, dass er die Müdigkeit wieder aus seiner Partei getrieben hat. Seehofer scheint es zu gelingen, aus der CSU wieder eine Partei zu machen, deren Anhänger sich nicht mehr dafür genieren, dass sie es sind. Er gibt der CSU ihren Stolz zurück. Politische Beobachter halten Seehofer zwar für einen irrlichternden Irrwisch, der einmal da und einmal dort flackert.

Innerhalb der CSU stellt sich das anders dar: Er stellt überall in der Partei, bei jedweder Position und in jeder Ecke, seine Lichter auf; er versucht, alle zu wärmen. Wenn man ihn mit Merkel vergleicht, ist es also bei ihm genau umgekehrt: Seine allgemeinen Popularitätswerte sind nicht so berauschend wie bei ihr, sein Ansehen und seine Verwurzelung in der Partei sind aber beachtlich. Er ist das größte politische Talent der CSU seit Franz Josef Strauß. Und müsste der heute Politik machen, er machte es so ähnlich wie Seehofer: handfest populistisch und mit der von Baron Guttenberg veredelten Kraftmeierei, die in Bayern gut ankommt.

Die Grünen stehen, wie fast immer bei Europawahlen, sehr gut da, die FDP nicht ganz so überragend wie von ihr selbst (eher grundlos) erwartet; die Linke schneidet nicht so schlecht ab, wie intern von ihr befürchtet. Wenn man auf der wackeligen Basis Europawahl einen Großtrend ablesen kann, dann den: Es wird schwarz und gelb in Deutschland. Wenn sich das im Laufe der nächsten Zeit als sicher abzuzeichnen beginnt, könnten aber der SPD die paar Prozente zuwachsen, auf die sie so sehnlichst wartet. Dann wäre alles wieder offen.

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