Streit um EU-Chefposten:Schulz springt Juncker bei

"Der Wahlkampf ist beendet": Im Streit um den Posten des EU-Kommissionschefs unterstützt der Sozialdemokrat Schulz seinen ehemaligen konservativen Widersacher Juncker - und fordert dessen Gegner zum Einlenken auf. Dahinter könnte auch noch ein anderes Motiv stecken.

Im Streit um den Posten des EU-Kommissionschefs hat der sozialdemokratische Europa-Spitzenkandidat Martin Schulz die Gegner des konservativen Politikers Jean-Claude Juncker zum Einlenken aufgefordert. "Das ist nicht die Zeit für Parteipolitik. Der Wahlkampf ist beendet", sagte Schulz Spiegel-Online. "Jetzt ist die Stunde, das zu tun, was notwendig ist, damit wir auf unserem Kontinent Frieden und Wohlstand bewahren und neue Stärke gewinnen."

Der EU-Parlamentspräsident bekräftigte, dass der frühere Luxemburger Ministerpräsident Juncker aus seiner Sicht klar Favorit für den Posten des Kommissionschefs sei. "Viele Sozialdemokraten, Konservative und andere sind bereit, einer neuen EU-Kommission unter Führung von Jean-Claude Juncker das Vertrauen auszusprechen, wenn sie diese Aufgaben beherzt angeht und sie so Europa und seine Mitgliedsstaaten stärkt", erklärte Schulz.

Angesichts der Ukraine-Krise, der hohen Arbeitslosigkeit in vielen Ländern Europas und dem Erstarken von Extremisten bei der Europa-Wahl werde jetzt ein breites Bündnis gebraucht, um diese Herausforderungen zu meistern und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Die Personalie Juncker sorgt seit Tagen für heftigen Streit zwischen den Staats- und Regierungschefs der EU und dem Europäischen Parlament. Juncker war als Spitzenkandidat der konservativen EVP bei der Europa-Wahl vom 25. Mai angetreten. Er gilt als Verfechter einer stärkeren Integration der Gemeinschaft, was der euroskeptische britische Premierminister David Cameron ablehnt. Kritik an Juncker kommt aber auch aus Ungarn, Schweden und den Niederlanden. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich nach anfänglichem Zögern für Juncker ausgesprochen.

Der sozialdemokratische Spitzenkandidat Schulz ist bei der Europawahl hinter seinem konservativen Konkurrenten Juncker gelandet. Auch um ihn gehen die Spekulationen weiter: Denn aus Sicht der deutschen Sozialdemokraten hat er der Partei ein ordentliches Ergebnis beschert. Er könnte möglicherweise Vizekommissionspräsident werden.

Am Vortag hatte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann klargemacht, dass die SPD für die Unterstützung Junckers als EU-Kommissionspräsident einen herausgehobenen Posten für Schulz will. "Ich glaube, dass die beiden zusammengehören", sagte Oppermann. Beide seien erfolgreiche Spitzenkandidaten für die Europawahl gewesen. "Ich glaube, dass mit Jean-Claude Juncker und Martin Schulz zwei ausgewiesene Europäer jetzt in Brüssel an vorderster Stelle Verantwortung übernehmen sollten."

Allerdings würde dies bedeuten, dass die CDU den Anspruch auf einen Kommissarsposten in Brüssel verlieren würde. Auch deshalb soll die Kanzlerin nach einem Bericht des Standards gezögert haben, sich für Juncker auszusprechen. Bisher ist unklar, ob die SPD bei einer Unterstützung von Juncker den deutschen Kommissarsposten für sich beanspruchen kann - derzeit ist der CDU-Politiker Günther Oettinger Energie-Kommissar.

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