Europäisches Parlament:Sacharow-Preis für einen Toten

Für besondere Verdienste um die Menschenrechte erhalten fünf arabische Aktivisten den diesjährigen Sacharow-Preis des Europäischen Parlaments. Geehrt werden zwei Frauen und drei Männer aus Tunesien, Ägypten, Syrien und Libyen. Posthum geehrt wird Mohamed Bouazizi, dessen Selbstverbrennung im Dezember 2010 die ersten Demonstrationen ausgelöst hatte.

Das EU-Parlament ehrt fünf Aktivisten des "Arabischen Frühlings" mit dem diesjährigen Sacharow-Preis für die Verteidigung der Menschenrechte. Allerdings wird einer der Preisträger die Auszeichung nicht mehr entgegennehmen können.

Europäisches Parlament: Proteste gegen Ägyptens Präsident Hosni Mubarak auf dem Tahrir-Platz im Februar 2011. Die fünf diesjährigen Träger des Sacharow-Preises haben eine wichtige Rolle im Arabischen Frühling gespielt.

Proteste gegen Ägyptens Präsident Hosni Mubarak auf dem Tahrir-Platz im Februar 2011. Die fünf diesjährigen Träger des Sacharow-Preises haben eine wichtige Rolle im Arabischen Frühling gespielt.

(Foto: AP)

Der tunesische Straßenhändler Mohamed Bouazizi hatte sich am 17. Dezember vergangenen Jahres aus Protest gegen die Behandlung durch die Polizei und die Behörden selbst verbrannt - und damit die ersten Demonstrationen gegen die langjährige Führung in Tunis ausgelöst. Nach diesen Protesten kam es auch in anderen arabischen Ländern zu Demonstrationen, Unruhen und sogar Aufständen. Die Selbstverbrennung markiert somit den Beginn des Arabische Frühlings. Bouazizi war nur 27 Jahre alt geworden.

Geehrt werden außerdem die 26 Jahre alte Ägypterin Asmaa Mahfus, die in ihrem Video-Blog im Januar zu den Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz aufgerufen hatte, sowie der 77-jährige Ahmed al-Zubair al-Sanusi, einer der Anführer des Aufstands gegen Diktator Muammar al Gaddafi in Libyen, der 31 Jahre in libyschen Gefängnissen inhaftiert war.

Zu den Preisträgern gehören auch zwei Syrier: Die Menschenrechtsanwältin Razan Zaitouneh informiert in dem Blog "Syrian Human Rights Information Link" (SHRIL) über Fälle von Menschenrechtsverletzungen in Syrien. Nachdem Saituneh untergetaucht war, wurden im Frühjahr ihr Mann und dessen 20 Jahre alter Bruder in Isolationshaft genommen.

Der politische Karikaturist Ali Farzat hatte sich bereits vor den Unruhen in Syrien mit dem Assad-Regime angelegt und seit Ausbruch der Gewalt deutlich gegen die Regierung gestellt. Im August war Farzat von mutmaßlichen Sicherheitskräften zusammengeschlagen und schwer verletzt worden.

Die fünf Aktivisten waren von den Abgeordneten der Europäischen Volkspartei, der Sozialdemokraten, der Liberalen und der Grünen nominiert worden. Die Entscheidung wird von den Fraktionsvorsitzenden des Parlaments in Straßburg gefällt. Der mit 50.000 Euro dotierte Preis wird am 14. Dezember in Straßburg überreicht.

Mit dem Preis würdige das Europaparlament den "Mut der Völker, der zu den politischen Veränderungen geführt hat", sagte der Vorsitzende der liberalen Fraktion, Guy Verhofstadt. Das Jahr 2011 werde in die Geschichte als das Jahr eingehen, in dem die Menschen in der arabischen Welt einen neuen Weg gewählt hätten - den Weg zu Demokratie.

Die Vertreter des "Arabischen Frühlings" setzten sich in der Endabstimmung in einem einstimmigen Beschluss gegen den weißrussischen Journalisten und Menschenrechtsaktivisten Dzmitri Bandarenka sowie die Bauerngemeinschaft San José de Apartadó durch, die sich in Kolumbien für Menschenrechte einsetzt.

Die Kandidaten für den Sacharow-Preis werden vom außenpolitischen Ausschuss des Parlaments nominiert. Die Entscheidung liegt dann beim Präsidium, dem der Parlamentspräsident und die Vorsitzenden der Fraktionen angehören.

Der Preis ist nach dem sowjetischen Dissidenten Andrej Sacharow benannt und wird seit 1988 an Menschen und Organisationen verliehen, die sich besonders mutig für Menschenrechte und Meinungsfreiheit einsetzten.

Zu den bisherigen Preisträgern gehören unter anderen der Apartheids-Gegner und spätere Staatschef von Südafrika, Nelson Mandela, der Vater des Prager Frühlings, Alexander Dubcek, die birmanische Oppositionspolitikerin Aung San Suu Kyi und der inhaftierte chinesische Bürgerrechtsaktivist Hu Jia.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: