Europäische Union:Europas Flüchtlingspolitik entzweit die Berliner Koalition

German Foreign Minister Steinmeier speaks to reporters following a meeting of Foreign Ministers regarding the situation in Syria in the Manhattan borough of New York

Frank-Walter Steinmeier spricht mit Reportern nach einem Treffen der Außenminister zur Situation Syriens am 18. Dezember in New York.

(Foto: REUTERS)
  • Im Streit um die Flüchtlingspolitik fordert Außenminister Steinmeier, bei ausbleibender Kooperation der EU-Partner notfalls juristische Schritte zu unternehmen.
  • Kanzleramtschef Altmaier glaubt, die Mitgliedsstaaten würden bald ihre Verpflichtung erkennen.
  • Auch Deutschland verstößt gegen Brüsseler Vereinbarungen zur Flüchtlingspolitik.

Von Constanze von Bullion, Berlin

Die Frage, wie Flüchtlinge verteilt werden sollen, führt nicht nur zwischen EU-Staaten, sondern auch innerhalb der Bundesregierung zu Unstimmigkeiten. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) stellte am Wochenende juristische Konsequenzen für Staaten in Aussicht, die sich der Aufnahme von Flüchtlingen verweigern. Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) lehnte dies hingegen ab. "Ich habe immer dafür geworben, dass man in der EU nicht droht, sich erpresst oder Handtaschen auf den Tisch stellt", sagte der Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung dem Focus.

Die Staaten Osteuropas, die sich an der Verteilung der Menschen nicht beteiligen wollten, würden bald erkennen, "dass jedes moderne Land, das sich in der Globalisierung bewähren will, Migration nicht ausblenden kann", so Altmaier. Ohne "vernünftige, allgemeine, verpflichtende Verteilung von Flüchtlingen" werde es auf Dauer in der Europäischen Union nicht gehen. Die EU werde sich "zusammenraufen".

"Europa ist eine Rechtsgemeinschaft"

Außenminister Steinmeier schlug einen kritischeren Ton an. Deutschlands Nachbarn hätten verlangt, zunächst die EU-Außengrenzen besser zu schützen. Dazu habe die EU-Kommission jetzt "gute und ehrgeizige Vorschläge" gemacht, sagte er dem Spiegel. Nun hätten alle Partner "hier schnell Nägel mit Köpfen" zu machen. "Europa ist eine Rechtsgemeinschaft", so der Außenminister. "Und wenn es nicht anders geht, werden die Dinge eben auf den dafür vorgesehenen Wegen juristisch geklärt." Gemeint war auch die Klage der slowakischen Regierung gegen die Verteilung von Flüchtlingen beim Europäischen Gerichtshof. "Das ist nicht schön, aber dann muss es eben sein", sagte Steinmeier. Europäische Solidarität sei keine Einbahnstraße.

Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann hatte jüngst mit der Kürzung von EU-Beiträgen für Staaten gedroht, die keine Flüchtlinge aufnehmen wollen. Deutschland und Österreich arbeiten nun an einem Vorschlag für ein europäisches Asylrecht. Eine zentrale Rolle spielen dabei Hotspots, also Erstaufnahmeeinrichtungen, in denen nach der Registrierung sofort entschieden werden soll, ob Flüchtlinge schutzbedürftig sind. Wer eine positive Entscheidung bekommt, soll nach einem festen Schlüssel auf die EU-Staaten verteilt werden.

Auch Deutschland verstößt gegen Vereinbarungen

Aber auch Deutschland verstößt gegen die Vereinbarung, wonach EU-Staaten Flüchtlinge nicht weiterleiten dürfen, sondern registrieren und unterbringen müssten. Aus Schleswig-Holstein reisten nach Einschätzung von Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) dieses Jahr etwa 60 000 Flüchtlinge unregistriert nach Schweden weiter. "Zur Wahrheit gehört also, dass wir damit auch gegen Dublin III verstoßen haben, aber zugleich für Entlastung in Deutschland gesorgt haben", sagte Albig (SPD) der Welt. Aus Erstaufnahme-Einrichtungen in Ostdeutschland verschwinden nach einer Umfrage der Saarbrücker Zeitung bis zu 30 Prozent der Flüchtlinge, oft in den ersten Tagen. Viele wollen in Großstädte wie Berlin oder zu Verwandten.

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