Europäische Union:Europaabgeordnete wollen Rechtsstaatsverfahren gegen Polen

Kaczynski, leader of the ruling party Law and Justice and Prime Minister Szydlo attend a mass during celebrations marking 99th anniversary of Polish independence at the Wawel Cathedral in Krakow

Der PiS-Vorsitzende Jarosław Kaczyński und Polens Premierministerin Beata Szydło.

(Foto: REUTERS)
  • Das Europäische Parlament will eine Überprüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen einleiten.
  • Auch auf Malta sehen die Parlamentarier die europäischen Grundwerte gefährdet.
  • Obwohl eine breite Mehrheit der Abgeordneten für die Untersuchungen votiert hat, gilt ein Verfahren mit juristischen Folgen als unwahrscheinlich.

Das EU-Parlament hat erhebliche Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit Polens. Auch mit der maltesischen Regierung wollen die Parlamentarier in einen Dialog über die Rechtsstaatlichkeit treten. Die Kritik an dem Inselstaat ist allerdings nicht so weitreichend wie die an der polnischen Regierung.

Im Falle Maltas geht es nach dem Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galiziaum um die Frage, ob sich der kleine Inselstaat an die europäischen Grundwerte hält und ob Malta EU-Vorgaben gegen Geldwäsche und zur Bankenregulierung umsetzt.

Die Vorwürfe gegen Polen gehen deutlich weiter: Sorgen bereiten den EU-Parlamentariern insbesondere die Justizreformen in dem Land sowie Eingriffe in die Medien- und Versammlungsfreiheit. Es drohe "eindeutig ein schwerwiegender Verstoß" gegen europäische Grundwerte, heißt es in einer heute vorgelegten Resolution. Auch die Weigerung Polens sich an die Entscheidungen des EU-Gerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu halten, benennen die Parlamentarier.

Nun soll der Innenausschuss des Europäisches Parlaments wesentliche Verletzungen der europäischen Grundwerte auflisten. Auf dieser Grundlage will das Plenum später darüber abstimmen, ob es die EU-Länder auffordert, ein Verfahren nach Artikel 7 des EU-Vertrags gegen Polen einzuleiten. Dies könnte für Polen den Entzug des Stimmrechts im EU-Ministerrat zur Folge haben.

Damit es tatsächlich dazu kommen kann, müssen allerdings alle Staats- und Regierungschefs der übrigen EU-Staaten zustimmen, was als unwahrscheinlich gilt. Insbesondere Ungarn dürfte daran kein Interesse haben.

"Man möchte einfach zeigen, wer den Hammer in der Hand hält"

Der Abgeordnete der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit reagierte mit deutlicher Kritik auf die Entscheidung des EU-Parlaments: "Es geht hier nicht um Rechtsstaatlichkeit. Man möchte einfach zeigen, wer den Hammer in der Hand hält", warf er den Befürwortern vor. Die EU führe "einen illegalen Kreuzzug gegen Polen, so die Anschuldigung des Politikers. Auch Polens Regierungschefin Beata Szydlo äußerte sich ungehalten. Sie bezeichnete die Ereignisse im Europaparlament als "skandalös".

Die europäischen Partner kritisieren bereits seit längerem, dass Polen sich in den vergangenen Jahren zunehmend nach Rechtsaußen bewegt hat: Jarosław Kaczyński, der Chef der regierenden PiS, warnt etwa regelmäßig vor Muslimen als Gefahr für Europa und Polen und sieht die rechtsradikalen Kräfte im Land insgeheim als Bündnisgenossen.

Erst am vergangenen Samstag, dem polnischen Unabhängigkeitstag, marschierten Zehntausende Ultranationalisten, Rechtsradikale und Neofaschisten durch Warschau. Die Demonstration konnte ungehindert stattfinden, die Polizei nahm bloß einige Dutzend Gegendemonstranten fest, die gegen Faschismus und rechtsradikale Ideen demonstrieren wollten.

Nach der Entscheidung des EU-Parlaments wurde bekannt, dass Deutschland und weitere EU-Staaten im Streit mit Polen und Ungarn einen weiteren Schritt fordern: So solle künftig die Vergabe von EU-Mittel an die Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden. Beim Treffen der EU-Europaminister in Brüssel forderte der Parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium, Uwe Beckmeyer (SPD), die EU-Kommission auf, diese Möglichkeit bei der Neuausrichtung der Mittelvergabe im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik zu prüfen.

Neben Deutschland unterstützen Frankreich, die Niederlande Finnland, Schweden, Dänemark und Belgien dieses Vorhaben, wie ein Diplomat vor dem Treffen in Brüssel mitteilte. Hintergrund des Treffens in Brüssel ist die Neuausrichtung der EU-Kohäsionspolitik.

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