Europäische Union:Alle für die Euro-Zone

Die Ideen aus Frankreich und Deutschland für eine Reform des gemeinsamen europäischen Währungsraums haben Brüssel aktiviert. Die Vorschläge und Diskussionen sind ambitioniert. Realistisch sind sie allerdings nicht immer.

Von Cerstin Gammelin und Alexander Mühlauer, Berlin / Brüssel

Der neue deutsch-französische Schwung hat bei den EU-Institutionen offenbar die Sorge ausgelöst, an Einfluss zu verlieren. Beinahe zeitgleich mit der von Paris und Berlin vereinbarten bilateralen Initiative lancierte die EU-Kommission ein Arbeitspapier, in dem es vor allem um die Reform der Euro-Zone geht.

Am Montag hatten zunächst Deutschland und Frankreich vereinbart, schon im Juli konkrete Vorschläge vorzulegen, wie beide Staaten verstärkt kooperieren und die Währungsunion weiterentwickeln könnten. Dazu werde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die Vorschläge erarbeite, sagte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nach dem ersten Treffen mit seinem neuen Amtskollegen Bruno Le Maire in Berlin. Die Vorschläge sollen beim deutsch-französischen Ministerrat im Juli verabschiedet werden. Es sei nötig, schneller und weiter voranzugehen und konkrete Pläne zu machen, sagte Le Maire. Ziel sei "eine Euro-Zone, mit der wir ein großes Gegengewicht schaffen zu China und anderen Regionen der Welt".

Schäuble und Le Maire trafen sich eine Woche nachdem Bundeskanzlerin Angela Merkel dem neuen französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron eine enge Zusammenarbeit in Aussicht gestellt hatte. Konkret soll es darum gehen, die Besteuerung von Unternehmen anzugleichen, die Wirtschaftspolitik enger zu koordinieren und die Euro-Zone auszubauen. In Berlin klappte die Koordination schon ziemlich gut. Die Minister redeten - und schwiegen an den passenden Stellen. Le Maire lobte den Vorschlag Schäubles, "deutsch-französische Investitionen zur Stärkung der EuroZone" zu prüfen. Das kommt in beiden Ländern gut an. Paris will investieren; Berlin auch - aber nur dort, wo es nötig ist. Le Maire erklärte zudem, man arbeite an der institutionelle Erweiterung der Währungsunion, also konkret daran, wie ein Euro-Finanzminister, ein Euro-Budget und ein Europäischer Währungsfonds aussehen könnten. Schäuble verzichtete auf die üblichen Hinweise, wonach das ja gute, von ihm selbst geäußerte Ideen seien, derzeit aber nicht umsetzbar wegen der nötigen Änderungen der EU-Verträge. Sein Schweigen dürfte dem Kalkül geschuldet sein, dass Macron Anfang Juni bei den Parlamentswahlen eine Mehrheit bekommen muss. Starke Auftritte seiner neuen Minister sind dabei hilfreich. Le Maire bedankte sich mit der Zusage an das ordnungsliebende deutsche Publikum, dass Paris seine Verpflichtungen einhalten werde, "was das Defizit betrifft". Er kündigte strukturelle Reformen an bei Arbeit und Rente. "Wir machen das, weil es Frankreich nutzt, nicht, weil wir jemandem gefallen wollen". Der Franzose appellierte an alle mitzuarbeiten. "Wir sind zum Erfolg verdammt", sagte er. "Wenn wir es nicht schaffen, werden uns die Extremen nachfolgen."

Die EU-Kommission kündigte in Brüssel an, ihr "Reflexionspapier" zur Zukunft der Währungsunion nächste Woche vorzustellen. Es zeichnen sich bereits Konflikte ab. Die Behörde will die Euro-Gruppe, also das Gremium der Euro-Finanzminister, stärker demokratisch kontrollieren lassen, etwa durch das EU-Parlament. Aus Sicht der Hauptstädte wäre das eine Entmachtung. Sie will auch einen Euro-Zonen-Haushalt, eine europäische Arbeitslosenversicherung, die Vollendung der gemeinsamen Einlagensicherung für Sparguthaben durchsetzen sowie einen neuen Investitionsfonds schaffen. Realistisch klingt das nicht.

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