Europa:Schutzschild fürs Iran-Geschäft

Wie die EU sich für den Fall vorbereitet, dass die USA demnächst aus dem Atom-Abkommen aussteigen könnten.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Sie hoffen noch, aber auf die Hoffnung allein wollen sie sich nicht verlassen. Eine gute Woche, bevor US-Präsident Donald Trump über das Schicksal des Nuklear-Abkommens mit Iran entscheidet, bereiten sich europäische Diplomaten auf den immer wahrscheinlicher werdenden Fall vor, dass der Amerikaner den Daumen senkt. Der Deal von 2015 wäre damit noch nicht tot - jedenfalls nicht automatisch. In Brüssel wird unermüdlich darauf hingewiesen, dass es sich um ein multilaterales Vertragswerk handele, das von einer Seite allein gar nicht aufgekündigt werden könne. Überlegt wird daher, ob und wie es zu retten wäre.

Zentraler Faktor dabei ist der wirtschaftliche Anreiz. "Wir arbeiten an einer Reihe von Vorschlägen, um europäische Firmen zu schützen", heißt es aus der Führungsebene der EU-Diplomatie. Das Ziel wäre dabei, die wirtschaftlichen Folgen der Wiedereinführung von US-Sanktionen zu minimieren. Geschützt werden müssten Firmen, die an ihrem Iran-Geschäft festhalten wollen, vor möglicher Bestrafung aus den USA. Betreffen würde das wohl hauptsächlich kleine und mittlere Unternehmen. Große Konzerne schrecken trotz aufgehobener Sanktionen wegen der unklaren Lage und auch wegen Trumps Drohungen vor Investitionen in Iran zurück.

In Teheran gibt es zahlreiche Gegner des Deals

Die EU verweist gerne auf den wirtschaftlichen Nutzen des Deals für Iran - etwa durch den im ersten Jahr der Umsetzung des Abkommens um 79 Prozent gestiegenen Handel mit der EU. Allerdings werden die Chancen, die Iraner mit wirtschaftlichen Anreizen bei der Stange zu halten, in Brüssel nicht allzu optimistisch eingeschätzt. "Der Druck nimmt zu, weil es in Iran Kräfte gibt, die das Abkommen nie wollten, und die behaupten, dass die iranische Seite geliefert habe, unsere Seite aber nicht", wird eingeräumt. Die noch bestehenden US-Sanktionen und die unsichere Lage hätten demnach ebenso wie hausgemachte Probleme dazu beigetragen, dass Präsident Hassan Rohani den Hardlinern nur sehr bescheidene wirtschaftliche Früchte des Abkommens entgegenhalten kann. Entscheidet Trump am 12. Mai für die Wiedereinführung von Sanktionen, so die Einschätzung, wären die wirtschaftlichen Folgen in jedem Fall massiv.

Unsicherheit herrscht in Brüssel, was Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzlerin Angela Merkel bei Trump erreicht haben. Zurückhaltend werden auch Überlegungen für einen umfassenden, neuen Deal bewertet, wobei die Europäer die US-Kritik an iranischen Raketenaktivitäten ebenso teilen wie an seiner destruktiven Rolle in der Region, etwa in Jemen. Am Nukleardeal selbst aber gebe es nichts zu reparieren. Er habe lediglich verhindern sollen, dass Iran waffenfähiges Uran oder Plutonium herstellt. "Genau das tut der Deal", wird betont. Ein Ausstieg mache "alles schlimmer, weil man wahrscheinlich ein nukleares Wettrüsten in der Region auslöst".

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