Europa:Rüge ohne Folgen

Das EU-Parlament rüffelt Juncker, scheut aber einen Eklat.

Von Daniel Brössler

Das Europäische Parlament hat am Mittwoch das Kunststück vollbracht, Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker eine schwere Rüge zu erteilen und doch einen großen Gefallen zu tun. Zwar verurteilten die Abgeordneten scharf die Umstände der Berufung des deutschen EU-Beamten Martin Selmayr zum Generalsekretär der Kommission. Sie verzichteten aber darauf, ernsthafte Konsequenzen oder gar den Rücktritt Selmayrs zu verlangen. Für Juncker, der sein Schicksal an das Selmayrs geknüpft hatte, ist das eine gute Nachricht.

Die Abgeordneten haben anerkannt, dass sie der Kommission im Fall Selmayr zwar ein seltsames Vorgehen, aber kein rechtliches Fehlverhalten nachweisen können. Und sie haben sich mehrheitlich davon leiten lassen, dass eine schwere Krise der EU-Institutionen in keinem Verhältnis zur Bedeutung der Personalie Selmayr stehen würde.

Juncker kann aufatmen. Aber er hat keinen Anlass, sich zurückzulehnen. Hinter der erbitterten Kritik an der Art und Weise, wie er seinen wichtigsten Vertrauten befördert hat, steckt viel Enttäuschung und Unmut über einen Kommissionspräsidenten, der einst als der Retter der EU angetreten war. Junckers eigentliches Problem ist nicht Selmayr, sondern der Eindruck, dass er eigentlich gar keine Lust mehr hat.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: