Europa:Macron und May unterzeichnen neues Grenzabkommen

France's President Emmanuel Macron and Britain's Prime Minister Theresa May arrive at Sandhurst Military Academy in Sandhurst

Brexit-Premierministerin Theresa May empfängt den französischen Präsidenten und Europa-Fan Emmanuel Macron.

(Foto: Hannah McKay/Reuters)
  • Großbritanniens Premierministerin Theresa May und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron haben am Donnerstag ein Abkommen unterzeichnet, das den Grenzschutz vor illegalen Migranten verbessern soll.
  • Dafür zahlt London rund 50 Millionen Euro an den Festland-Nachbarn.
  • Zudem wird ein weltberühmter Wandteppich an Großbritannien ausgeliehen.

Von Cathrin Kahlweit, London

Die diplomatische Verbeugung des französischen Präsidenten war schon mit dem Voraus-Gepäck gekommen: Vor dem Treffen von Emanuel Macron und der britischen Premierministerin Theresa May am Donnerstag in der Militärakademie Sandhurst hatten die Franzosen eingewilligt, den berühmten Teppich von Bayeux an die Nachbarn jenseits des Kanals auszuleihen. Vermutlich von 2022 an dürfte das Kunstwerk, das um das Jahr 1070 entstanden ist und die Eroberung Englands durch die Normannen zeigt, im Britischen Museum zu bestaunen sein.

Die Briten hatten diese Geste als Indiz dafür gewertet, dass Macron auf dem Regierungsgipfel versöhnlich auftreten werde, und tatsächlich zeigte sich der französische Präsident auf der abendlichen Pressekonferenz sehr zufrieden mit den Ergebnissen: Man habe einen "Vertrag von Sandhurst" unterzeichnet, der verstärkte Anstrengungen bei der Grenzsicherung am Ärmelkanal vorsehe; damit werde die historische Vereinbarung von Touquet 2003 fortgeschrieben.

Nach dem Brexit verläuft die EU-Grenze durch den Ärmelkanal

Der Vertrag von Touquet garantiert, dass Großbritannien Kontrollen auf französischem Boden im Hafen von Calais vornehmen darf, um Migranten am Ärmelkanal zu stoppen; umgekehrt verhindern französische Polizisten mit aller Macht, dass Migranten durch den Tunnel nach Dover gelangen. Die Vereinbarung von 2003 ist nur einer von mehreren Verträgen, mit denen Nachbarn, in diesem Fall die EU-Partner Großbritannien und Frankreich, Grenzkontrollen auf dem Hoheitsgebiet des jeweils anderen Staates vornehmen dürfen. Durch den Brexit könnten diese Abmachungen gefährdet werden. Nach dem Austritt würde die EU-Grenze durch den Ärmelkanal verlaufen.

Besonders dramatisch ist die Lage aus französischer Sicht in Calais: Im sogenannten Dschungel, einem elenden Massencamp von enormen Ausmaßen, hatten bis zu dessen Räumung im Herbst 2016 bisweilen bis zu 10 000 Flüchtlinge gehaust; jetzt sind es in wilden Lagern rund um den Euro-Tunnel noch immer zwischen 500 und 1000, und ihre Zahl wächst wieder. Allein im vergangenen Jahr wurden, trotz Evakuierung des Lagers, wieder Zehntausende Versuche verzeichnet, die Grenzsperren am Ärmelkanal zu überwinden.

Macron hatte von der britischen Regierung mehr Unterstützung für die Kontrollen, aber auch für die ökonomischen Belastungen der Hafenstadt verlangt. May wird dem offenbar teilweise nachkommen und etwa 50 Millionen Euro für zusätzliche Grenzsicherungsmaßnahmen bereitstellen, das sei "im nationalen Interesse". Außerdem sagte May zu, mehr unbegleitete Flüchtlinge aus Calais aufzunehmen. Konkrete Zahlen wurden aber nicht genannt. Ergebnis des Treffens war damit eine Art Einwanderungsvertrag, der den Migrationsdruck in beiden Ländern vermindern soll.

Macron steht in Frankreich stark unter Druck, die hohe Zahl an Einwanderern zu senken; in diesem Ziel trifft er sich politisch mit May. Auch sie strebt, gemäß den Versprechen der Brexit-Kampagne, eine drastische Reduzierung der Einwanderung an. Der Franzose betonte daher demonstrativ gemeinsame Interessen, an denen man auch nach dem Brexit festhalten werde; die enge Beziehung sei nicht nur geprägt von der "Geografie, sondern auch von starken menschlichen Banden".

Der französische Präsident reiste mit einem Teil seines Kabinetts an; Thema war, neben Einwanderung und militärischer Zusammenarbeit, auch die Zukunft der bilateralen Beziehungen nach dem Brexit sowie der weitreichende Handelsvertrag, den die Briten sich von der EU wünschen. London pocht auf einen maßgeschneiderten Deal, der bisherige Vorteile des Binnenmarkts und der Zollunion auch nach dem Abschied aus der EU inkorporiert. May betonte, gewohnt vage, es sei im Interesse der EU, eine gute ökonomische Beziehung zum Königreich zu haben. Macron hielt sich demonstrativ zurück; Brüssel sei der Ansprechpartner. Er hatte schließlich schon bekommen, was er von May wollte.

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