Europa:Jetzt erst recht

Handelspartner EU

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In Brüssel ist man nicht traurig über das Ende von TPP. Die EU-Kommission treibt nun eigene Abkommen mit Japan und anderen Staaten in Asien voran.

Von Alexander Mühlauer

Manchmal ist es schon das Datum, das Symbolkraft entfaltet. Im Fall von Cecilia Malmström ist es der 20. Januar 2017. An diesem Tag schrieb die EU-Handelskommissarin einen Brief an Japans Außenminister, "Seine Exzellenz Herrn Fumio Kishida", mit der Bitte, so bald wie möglich nach Brüssel zu reisen, um "konstruktive Lösungen" zu finden. Nun war der 20. Januar nicht irgendein Datum, sondern jener Freitag, an dem Donald Trump vereidigt wurde. Mit dessen Wahl zum neuen US-Präsidenten konnte Malmström ihre Hoffnung auf ein Freihandelsabkommen mit den Vereinigten Staaten begraben. TTIP ist also tot. Und jetzt?

Nun versucht die Handelskommissarin, einen Pakt mit Japan zu schließen. Ihr Brief liest sich wie eine Kampfansage in Richtung Washington: "Es ist wichtig, dass die EU und Japan bald eine Einigung erzielen, um ein machtvolles Signal zur Bedeutung offener Märkte in diesen unsicheren Zeiten zu senden." Es ist genau diese Botschaft, die nun aus Europa um die Welt gehen soll. Die EU zeigt sich entschlossen, dem Trump'schen Protektionismus entgegenzutreten und sich als überzeugter Verfechter eines freien Welthandels zu positionieren.

Im Auftrag der EU-Staaten verhandelt die Brüsseler Kommission derzeit rund 20 Handelsverträge. Die mit Kanada, Vietnam und Singapur sollen bald ratifiziert werden. Besonders wichtig ist Malmström aber der Pakt mit Japan. Das Land ist nach China der zweitgrößte Handelspartner der EU in Asien. Seit fast vier Jahren verhandeln die Europäer nun schon mit der Regierung in Tokio, zuletzt sprach man im September. Doch die Gespräche sind festgefahren. Auch deshalb, weil die Japaner große Hoffnung in das nun von Trump aufgekündigte Pazifikstaaten-Abkommen TPP setzten. Malmström will die neue Lage nutzen und den Widerstand der Japaner gegen die Öffnung ihres Marktes für Agrarprodukte aus der EU brechen. Im März wird Japans Premierminister Shinzō Abe zu einem Besuch in Brüssel erwartet. Bis dahin will die Handelskommissarin deutliche Fortschritte erzielen.

In Brüssel weint man TPP jedenfalls keine Träne nach. Ganz im Gegenteil. Europa fürchtete unter dem ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama eine Verschiebung der amerikanischen Handelsinteressen in Richtung Pazifik. Es wurde mit ihm zwar auch über TTIP verhandelt, aber die Priorität Obamas lag klar bei TPP. Nun, da Trump beide Verträge aufgegeben hat, schickt sich Europa an, daraus Profit zu schlagen. "Wir sind entschlossen, dem Trend des Unilateralismus entgegenzutreten", sagte der Chefsprecher der EU-Kommission am Dienstag. Die Europäische Union berate bereits mit allen Ländern bis auf eines - also den USA -, die sich am Pazifik-Pakt TPP beteiligen wollten. Die Verhandlungen mit Japan bewegten sich auf die Ziellinie zu, so der Sprecher.

Auch Noch-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sieht neue Chancen. Angesichts der von Trump verfügten Aufkündigung von TPP mit knapp einem Dutzend Anrainerländern des Pazifik forderte er: "Die Räume, die Amerika frei macht, müssen wir jetzt nutzen." Europa müsse rasch eine Strategie entwickeln, um in Asien besser voranzukommen.

Fraglich ist allerdings, ob wirklich ganz Europa hinter den von der EU-Kommission geplanten Abkommen steht. Zweifel sind mehr als angebracht, denn das teils irrwitzige Schauspiel um Ceta, den Handelsvertrag mit Kanada, offenbarte eine tiefe Zerstrittenheit der Europäischen Union in der Handelspolitik. Getrieben von Anti-Freihandelsprotesten und Populisten, die das Heil im Nationalstaat verorten, begannen mehrere EU-Staaten mit dem Prinzip des freien Handels zu hadern. Und diese Zweifel sind längst nicht ausgeräumt.

Am Dienstag stimmte zumindest der Handelsausschuss des EU-Parlaments für den Vertrag mit Kanada. 25 Abgeordnete sprachen sich für Ceta aus, 15 waren dagegen. Stimmt das Parlament bei dem für Mitte Februar geplanten Votum für den Vertrag, dürften Teile des Abkommens, die vor allem den Abbau von Zöllen vorsehen, im März oder April in Kraft treten. Bis alle Vereinbarungen gelten, vergehen aber vermutlich noch Jahre, da alle nationalen Parlamente der EU-Staaten zustimmen müssen. Im Oktober hatte bereits der Widerstand der belgischen Region Wallonie gegen Ceta das Abkommen fast zum Scheitern gebracht.

Und dann gibt es ja noch einen Vertrag, den die EU bald aushandeln muss: den mit Großbritannien. Sobald die Regierung in London ihre Entscheidung zum EU-Austritt formal einreicht, stehen der Kommission harte Verhandlungen bevor. Spätestens dann kann die EU der verbliebenen 27 Staaten beweisen, ob sie sich wirklich als ein Handelsblock versteht, der sich von nichts und niemandem auseinanderdividieren lässt.

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