Europa:Gipfel der Unsicherheit

Beim informellen Treffen am Freitag in Malta muss die EU zeigen, ob sie geeint auf einen US-Präsidenten reagiert, der ganz offen auf den Zerfall der Union setzt - und dies auch bereits mit einem kleinen Erfolg vorantreibt.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Für fast alle Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union ist der neue US-Präsident Donald Trump insofern ein Unbekannter, als sie ihm noch nie persönlich begegnet sind. In dieser Hinsicht hat die britische Premierministerin Theresa May den anderen in der EU etwas voraus. Sie ist von Trump bereits im Weißen Haus empfangen worden, vermutlich auch als Belohnung für den Brexit. Beim informellen EU-Gipfel an diesem Freitag auf Malta kann May also aus erster Hand berichten. Wenn die Staats- und Regierungschefs aber über eine gemeinsame Antwort auf das Phänomen Trump diskutieren wollen, müssen sie es eigentlich ohne die Britin tun. Gerade im Umgang mit dem neuen US-Präsidenten zeigt sich, wie weit Großbritannien und die anderen EU-Staaten sich schon vor Beginn der Austrittsverhandlungen voneinander entfernt haben.

Während sich May um eine Sonderbeziehung zu Trump bemüht und ungeachtet eines Proteststurms an einer Einladung zum Staatsbesuch festhält, hat etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel deutliche Kritik an den Einreiseverboten für Bürger von sieben hauptsächlich muslimischen Staaten geübt. Beim Sondergipfel auf Malta muss sich zeigen, ob zumindest die 27er-EU ohne Großbritannien geeint auf einen US-Präsidenten reagiert, der ganz offen auf den Zerfall der Union setzt. In seinem am Dienstag verschickten Einladungsschreiben an die Staats- und Regierungschefs stellte EU-Ratspräsident Donald Tusk die neue Lage in Washington praktisch in eine Reihe mit den Herausforderungen durch China, Russland und den Islamismus. Besonders die besorgniserregenden Erklärungen der neuen US-Regierung machten "unsere gemeinsame Zukunft unberechenbar", konstatierte er.

"Lasst uns Europas Stolz zeigen", fordert Ratspräsident Tusk in seinem Einladungsbrief

Geschockt wird in der EU-Metropole registriert, dass ein Grundpfeiler der bisherigen Ordnung einzustürzen droht. In den vergangenen Jahrzehnten hatte sich die EU darauf verlassen können, in den USA zwar oft einen wirtschaftlichen Wettbewerber, aber immer einen politischen Verbündeten zu haben. Trumps Vorgänger Barack Obama hatte noch leidenschaftlich für die europäische Integration geworben. Trump dagegen will angeblich den erklärten EU-Gegner Ted Malloch als Botschafter zur EU schicken. Die Briten hat er zum Brexit beglückwünscht und den Austritt aus der EU als "großartig" bezeichnet. In der Union ist die Sorge groß, dass Trump die Mitgliedstaaten auseinanderdividieren könnte, etwa durch unterschiedliche Behandlung vom Einreiseverbot betroffener Doppelstaatler.

Als Antwort fordert Tusk ein "Signal der Einigkeit". Ausgehen soll es vom Jubiläumsgipfel, bei dem sich die EU Ende März in Rom 60 Jahre nach Unterzeichnung der Römischen Verträge feiern will und der nun auf Malta vorbereitet werden soll. Diese Einigkeit ist allerdings alles andere als sicher. Ungarns rechtspopulistischer Regierungschef Viktor Orbán etwa macht aus seiner Sympathie für Trump keinen Hehl. Auch bei einem Treffen der EU-Chefberater der Staats- und Regierungschefs am Montag zeigte sich, dass eine gemeinsame Linie gegenüber den USA keine sichere Sache ist. Eine schriftliche Erklärung der 27er-EU zu Trump ist bisher jedenfalls nicht geplant. "Lasst uns Europas Stolz zeigen", appellierte Tusk in seinem Brief. Wenn die EU nicht reagiere, verliere sie den Rückhalt der Bürger und den Respekt in der Welt.

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