Europa:Die Euro-Reform gelingt jetzt oder nie

Da sind sich vor allem Deutschland und Frankreich einig. Sie wollen die Währungsunion schnell vertiefen. Doch anderen Mitgliedsstaaten dürfte das Angst machen.

Von Alexander Mühlauer, Tallinn

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble

Die Zeit für einen Euro-Währungsfonds sei günstig, sagt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble.

(Foto: AFP)

Wolfgang Schäuble erhebt einen klaren Anspruch. Die Idee eines Europäischen Währungsfonds komme aus seinem Hause: "Das Bundesfinanzministerium hat dafür das Copyright", sagte Schäuble beim Treffen mit seinen EU-Kollegen am Wochenende in Tallinn. Für den Vorschlag eines solchen Fonds gebe es breite Unterstützung, denn die Chance für eine Vertiefung der Währungsunion sei günstig, sagte Schäuble. Die Eurozone sei zurzeit "ziemlich stabil", sie wachse so stark wie lange nicht. Es wäre "fahrlässig, wenn wir das Momentum nicht nutzen", erklärte der Bundesfinanzminister.

Ganz ähnlich klang sein französischer Kollege Bruno Le Maire. Er sprach von einer "einzigartigen Gelegenheit". Nach der Bundestagswahl müssten die Regierungen in Berlin und Paris "die nötigen Reformen" vorantreiben. So viel Einigkeit gab es lange nicht. Und doch haben die Bekenntnisse etwas Trügerisches. Denn so sehr die Minister ihren Willen für eine Euro-Reform formulierten, so sehr vermieden sie auch sich festzulegen. Kein Wunder, denn die Frage, wie sich die Währungsunion vertiefen lässt, birgt politische Sprengkraft.

Die EU-Kommission will bereits Anfang Dezember ihre Vorschläge präsentieren. Man kann schon jetzt sagen, was die Mehrheit der Finanzminister in den Euro-Ländern davon halten wird: ziemlich wenig. Denn der Posten eines gemeinsamen Euro-Finanzministers, wie ihn die Kommission anstrebt, wäre nur möglich, wenn die EU-Verträge geändert würden. Daran mag sich zurzeit niemand heranwagen, denn in einigen Ländern zöge dies Volksabstimmungen nach sich - mit ungewissem Ausgang.

Deshalb konzentriert sich die Debatte nun auf einen möglichen Europäischen Währungsfonds. Dieser ließe sich aus dem bestehenden Euro-Rettungsfonds ESM weiterentwickeln, der auf zwischenstaatlicher Ebene geschaffen wurde. Die EU-Verträge blieben demnach unangetastet.

Für einen Europäischen Währungsfonds spricht zunächst die Tatsache, dass der Internationale Währungsfonds (IWF) nicht mehr bereit ist, den Europäern bei der Unterstützung von Krisenstaaten wie Griechenland aus politischen Gründen zu helfen. Auch die Europäische Zentralbank (EZB) hat keine große Lust mehr, Teil der einstigen Troika zu sein.

Deshalb könnte der ESM die ursprünglich von IWF, EZB und EU-Kommission wahrgenommene Aufgabe der Überprüfung von Reformen in einem "Programmland" voll übernehmen. Dann wäre die Kreditvergabe weiter an strikte Bedingungen geknüpft. Nur ein von der Zahlungsunfähigkeit bedrohtes Land könnte Hilfe erwarten und müsste dafür weitreichende Reformen versprechen.

Ein mögliches Vorbild aus den USA: Schlechtwetterfonds

Politisch brisant wäre ein zusätzliches Instrument, an das auch Bundeskanzlerin Angela Merkel kürzlich erinnerte: die sogenannte Fiskalkapazität für den Euro-Raum. Eine solche habe sie schon vor der Euro-Krise vorgeschlagen, erklärte Merkel. Die Idee resultiert aus einer einfachen Feststellung: Gerät ein Land unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten, muss ihm geholfen werden; Ökonomen sprechen von asymmetrischen Schocks.

Doch für diese ist die Euro-Zone nicht wirklich vorbereitet. Denn anders als etwa die norwegische oder britische Notenbank kann die EZB nicht mit massiven Eingriffen gegensteuern. Europas Zentralbank darf nicht einfach den Währungskurs in eine beliebige Richtung lenken, weil ein Euro-Land Finanzprobleme hat - sie muss den gesamten Währungsraum im Blick haben.

Als Vorbild kommen deshalb die sogenannten Schlechtwetterfonds (rainy day funds) aus den USA infrage. Diese gibt es dort seit Jahrzehnten. Gerät ein US-Bundesstaat in Schwierigkeiten, kann er auf einen solchen Fonds zugreifen. Das abgerufene Geld muss der Bundesstaat zurückzahlen. Dieser Mechanismus könnte auch in der Euro-Zone für mehr Stabilität sorgen. Transferzahlungen von reicheren zu ärmeren Ländern würden ausgeschlossen - vorausgesetzt, der bedürftige Staat zahlt den Kredit zurück.

Wie viel soll rein? Wer darf etwas bekommen?

Natürlich müsste ein solcher Schlechtwetterfonds erst einmal mit Geld gefüllt werden. Wie hoch die Summe sein soll, ist allerdings offen. Unklar ist auch, unter welchen Bedingungen der Fonds zum Einsatz käme - und wer darüber entscheidet.

Die Debatte darüber hat nun begonnen. Mit Blick auf den politischen Kalender sollten die Reformen im nächsten Jahr auf den Weg gebracht werden. Denn 2019 stehen bereits die nächsten Europawahlen an - und mit ihnen eine neue EU-Kommission. Ganz abgesehen davon, dass eine neue Euro-Krise durchaus möglich ist.

In Tallinn gab es lediglich eine mahnende Stimme zum Europäischen Währungsfonds. EZB-Präsident Mario Draghi bat, den Fonds anders zu nennen, denn in Europa sei nun einmal die EZB für "Währungspolitik" zuständig - und sonst niemand.

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