Europa:"Damn! Ein schlechter Tag für Europa"

In ganz Europa äußern sich Politiker zum britischen Referendum. Doch nicht alle sehen das Ergebnis mit Sorge.

Um sieben Uhr am Freitagmorgen stand das Endergebnnis fest: Das Vereinigte Königreich hat sich gegen einen Verbleib in der EU entschieden. Dem vorläufigem Endergebnis zufolge stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Brexit. Ein Großteil der europäischen Politiker zeigt sich besorgt bis bestürzt über den Austritt, aber nicht alle. Ein Überblick über die wichtigsten Stimmen.

Wohl die emotionalsten Worte fand die Co-Fraktionschefin der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms: "Mir ist den ganzen Morgen zum Heulen zumute gewesen".

"Ein Dominoeffekt auf andere Länder ist nicht auszuschließen", sagte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz. Anders sieht das Europaparlamentspräsident Martin Schulz, der im deutschen Frühstücksfernsehen deutlich machte, dass es jetzt darauf ankomme, die verbleibenden 27 EU-Mitglieder zusammenzuhalten. Eine Kettenreaktion von EU-Ländern werde es nicht geben, erklärte er und kündigte an: "Die Scheidungsverhandlungen werden jetzt schnell beginnen."

Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigte sich entschlossen, ein Auseinanderfallen der EU zu verhindern. Es sei nicht der Augenblick für hysterische Reaktionen, sagte er am Freitag in Brüssel.

Elmar Brok, der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, sagte sehr deutlich, wem er die Schuld für den EU-Austritt der Briten gibt: Premierminister David Cameron persönlich. "Man muss sich nicht wundern, wenn David Cameron zehn Jahre lang erklärt, wie schlecht Europa ist." Für die Austrittsverhandlungen setzt der CDU-Europapolitiker auf Härte: "Draußen ist draußen", sagte er. Jetzt müssten "Nachahmer-Effekte" verhindert werden. "Das war eine Fehlentscheidung, für die bitter bezahlt werden muss."

In Deutschland überwog vorerst noch die Bestürzung. Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach von einem "wahrlich ernüchternden" Ergebnis. Es sehe nach einem "traurigen Tag für Europa und Großbritannien" aus. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hielt sich auf Twitter gezwungenermaßen kurz: "Damn! Ein schlechter Tag für Europa."

Finanzminister Wolfgang Schäuble beschwor den Zusammenhalt: "Wir respektieren den Ausgang des britischen Referendums. Ich hätte mir ein anderes Ergebnis gewünscht", sagte Schäuble in Berlin. "Gemeinsam müssen wir das Beste aus der Entscheidung unserer britischen Freunde machen."

Auch der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault erklärte, das Ergebnis des Referendums sei "traurig für Großbritannien".

Politiker fordern Referenden in anderen Ländern Europas

Deutlich weniger niedergeschlagen waren die Reaktionen von Europas europaskeptischen Parteien. Sie sehen in dem britischen Referendum einen ersten Schritt in Richtung eines nationaler ausgerichteten Europas. Aus mehreren Ländern wurden Forderungen nach weiteren Referenden laut.

So schrieb zum Beispiel die Chefin von Frankreichs rechtsextremem Front National, Marine Le Pen, am Freitagmorgen auf Twitter: "Sieg der Freiheit! Wir brauchen jetzt dasselbe Referendum in Frankreich und den Ländern der EU."

Auch der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders nutzte die Gunst der Stunde: "Die Niederländer haben auch das Recht auf ein Referendum."

Interessant waren auch die Reaktionen aus Nordirland. Dort will die Partei Sinn Féin über eine Vereinigung mit Irland abstimmen lassen. Zur Begründung sagte das führende Parteimitglied Declan Kearney, die Nordiren hätten bei dem Referendum für den EU-Verbleib gestimmt. Der Norden werde allein durch das Abstimmungsergebnis in England aus der EU gedrängt. Die Südiren hingegen bleiben weiterhin in Europa. "Sinn Féin wird jetzt unsere alte Forderung nach einer Umfrage über die Grenze vorantreiben", sagte Kearney.

Nach der mutmaßlichen Abkehr Großbritanniens von der Europäischen Union will auch Schottland in die Gemeinschaft zurückkehren: "Schottland sieht seine Zukunft als Teil der EU", sagte die schottische Premierministerin Nicola Sturgeon am Freitagmorgen dem Sender Sky News. Der BBC sagte sie: "Schottland hat klar und entschieden für den EU-Verbleib gestimmt, mit 62 zu 38 Prozent."

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