Euro-Rettung:Gabriel befürwortet Vergemeinschaftung der Schulden

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Sigmar Gabriel wendet sich vom Kurs der Bundesregierung ab: Der SPD-Chef spricht sich für eine Vergemeinschaftung der Schulden aller Euro-Staaten aus. Dafür will er das Grundgesetz ändern - und dies dem Volk zur Abstimmung vorlegen. Ökonomen begrüßen den Vorschlag.

SPD-Chef Sigmar Gabriel fordert einen Strategiewechsel in der deutschen Euro-Politik. Der Berliner Zeitung zufolge plädiert Gabriel für eine gemeinschaftliche Haftung für die Schulden aller Euro-Staaten bei gleichzeitiger strenger gemeinsamer Haushaltskontrolle. Dafür müsse ein Verfassungskonvent eine Grundgesetzänderung erarbeiten. Diese würde dann den Bürgern in einer Volksabstimmung vorgelegt werden.

Eigentlich macht Sigmar Gabriel Babypause. Währenddessen spricht er sich für gemeinsame Schuldenlast und Steuererhöhung für Reiche aus. (Foto: dpa)

Gabriels Vorschlag stößt bei deutschen Ökonomen auf Zustimmung. So "könnte es gelingen, die ökonomischen und politischen Argumente für und gegen diesen Weg umfassend zu beleuchten", sagte der Konjunkturchef des Münchner Ifo-Instituts, Kai Carstensen, der Onlineausgabe des Handelsblatts. Stimmten die Bürger zu, wären "Transfers demokratisch legitimiert".

Auch der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, zeigte Sympathie für die Idee. "Gabriel hat recht, dass eine weitergehende Fiskalunion mit strengen Regeln für die Haushaltskontrolle nicht auf der Basis des bestehenden Grundgesetzes möglich ist", sagte Hüther. Allerdings bedeute das ein zeitaufwendiges Verfahren, weshalb der Vorschlag "kein Lösungsbeitrag zur gegenwärtigen Krise" sei.

"Gemeingefährlicher" Kurswechsel?

Für einen Kurswechsel hatten sich vorher in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung auch die Professoren Jürgen Habermas, Peter Bofinger und Julian Nida-Rümelin ausgesprochen. Sie hatten ihre Vorschläge für das Programm der SPD formuliert. Gabriel sagte der Berliner Zeitung, er werde sie in SPD-Gremien einbringen und bei den Vorsitzenden der anderen sozialdemokratischen Parteien in Europa für sie werben.

Vertreter von Union und FDP warfen Gabriel vor, er strebe eine Schuldenunion zulasten Deutschlands an. Als "gemeingefährlich" bezeichnete CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt die Forderungen Gabriels: "Das ist ein unverhohlener Generalangriff des SPD-Vorsitzenden auf die deutsche Steuerkasse", sagte der CSU-Politiker der Rheinischen Post. Damit gebe Gabriel den deutschen Haushalt zur Plünderung frei für reformunwillige Schuldenländer.

Auch FDP-Franktionschef Rainer Brüderle warnt vor den Vorschlägen Gabriels: "Geld ausgeben, das man nicht hat und dann andere dafür zahlen lassen, war schon unter Rot-Grün ein falsches Rezept. Das jetzt auf Europa zu übertragen, verschärft die Probleme nur." Brüderle wirft Gabriel "Schuldensozialismus" vor.

Eigentlich macht der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel gerade Babypause - und startet doch gleichzeitig immer wieder Aufrufe: So schloss er sich erst kürzlich für mehr "sozialen Patriotismus" der Forderung von Gewerkschaften und Sozialverbänden nach einer neuen Lastenteilung an. Die Grünen warfen Gabriel daraufhin Populismus vor und forderten realistische Konzepte von den Sozialdemokraten. Union und FDP beklagten, höhere Abgaben träfen die Falschen, nämlich den Mittelstand.

Gabriel verlangt unter anderem die Streichung von Subventionen im Steuerrecht, die Erhöhung der Kapital-, Vermögens- und Erbschaftsbesteuerung und einen höheren Spitzensteuersatz. Es sei gerechtfertigt, von den Wohlhabenden mehr zu verlangen. Hinter Reichtum stecke meist eine große persönliche Leistung. Andererseits werde niemand allein reich. "Immer gehört dazu auch ein Land mit guter Bildung, Rechtsstaat und sozialem Frieden", sagte der SPD-Vorsitzende der Süddeutschen Zeitung.

Faymann rechnet mit Merkels Zustimmung zu ESM-Banklizenz

Bei einem anderen wichtigen Thema im Zusammenhang mit der Euro-Rettung geht man im Ausland offenbar davon aus, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel früher oder später einlenken wird: Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann rechnet damit, dass Merkel ihren Widerstand gegen eine Bankenlizenz für den Rettungsschirm ESM aufgeben wird, wenn nur dadurch der Euro gerettet werden kann. "Ich rechne damit, dass, wenn der Schutz für den Euro notwendig ist, die deutsche Bundeskanzlerin auch den nächsten Schritt mitgehen wird", sagte Faymann der österreichischen Zeitung Kurier.

Die Idee einer Banklizenz für den neuen Euro-Rettungsschirm ESM sieht vor, dass dieser dann Kredite bei der Europäischen Zentralbank (EZB) aufnehmen kann - und so zum Schirm ohne Limit würde. Eigentlich benötigt der ESM eine solche Lizenz nicht zwingend: Laut ESM-Vertrag muss der Schutzschirm nicht als Kreditinstitut lizenziert werden. Die zentrale Frage ist eher, ob die EZB den ESM als Geschäftspartner akzeptiert. EZB-Präsident Draghi bekräftigte vergangene Woche noch einmal die Haltung der EZB, wonach das derzeitige Design des ESM dies nicht zulasse.

Am Widerstand der deutschen Bundesregierung wird das Projekt nach Ansicht Feymanns jedenfalls nicht scheitern. Auf den Einwand, Merkel sei gegen eine solche Lizenz, sagte Faymann: "Das hatten wir schon, dass die deutsche Kanzlerin im Laufe einer politischen Diskussion ihre Meinung geändert hat, immer zum Schutz des Euro." Merkel habe schon oft Diskussionen damit begonnen, dass sie sich etwas nicht vorstellen könne "und zum Schluss waren ihr der Euro und Europa wichtig genug".

© Süddeutsche.de/Reuters/afp/dapd/sana/mahu - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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