Euro-Hawk-Debakel der Bundeswehr:System von vorgestern

Aufklärungsdrohne Euro Hawk

Alles andere als startklar: Die Aufklärungsdrohne Euro-Hawk auf dem Fliegerhorst Jagel. Das Verteidigungsministerium wusste von den Problemen.

(Foto: dpa)

Die Ausrüstung von Soldaten kommt zu spät und zu teuer: Schon 2010 empfahl eine Kommission, das Beschaffungswesen der Bundeswehr zu reformieren. Doch seither ist wenig passiert. Das Debakel um die Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" zeigt, was noch alles im Argen liegt.

Von Christoph Hickmann, Berlin

Im Nachhinein liest es sich beinahe, als hätten eine Dame und fünf Herren bereits geahnt, was gut zweieinhalb Jahre später auf den Tisch kommen würde. Im Oktober 2010 legte die Strukturkommission der Bundeswehr ihren Bericht vor, erarbeitet unter dem Vorsitz von Frank-Jürgen Weise, Chef der Bundesagentur für Arbeit. Unter Punkt 4.4.1 (Rüstung / Beschaffung / Nutzung) heißt es darin: "Die Streitkräfte erhalten ihre geforderte Ausrüstung zumeist weder im erforderlichen Zeit- noch im geplanten Kostenrahmen." Und weiter: "Die jeweils zugrunde liegenden Verfahren und deren Anwendung werden der heute erforderlichen Flexibilität und Reaktionsgeschwindigkeit nicht gerecht."

Beides dürfte, so viel scheint bereits klar zu sein, auf die Vorgänge rund um die Aufklärungsdrohne "Euro Hawk" zutreffen - mit dem Unterschied, dass diese nicht etwa später geliefert und teurer wird, sondern bei der Bundeswehr gar nicht mehr zum Einsatz kommt (sieht man mal von den Erprobungsflügen ab, die wohl noch bis Ende September weitergehen sollen).

Es ist ein Debakel für Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU), dessen Verteidiger ins Feld führen, dass wesentliche Entscheidungen bereits vor seiner Amtsübernahme im Jahr 2011 gefallen seien und die Schwächen des Beschaffungswesens weniger personelle als strukturelle Gründe hätten. Die Strukturkommission formulierte es 2010 so: "Selbst bei akutem Bedarf im Einsatz und vorhandenen marktverfügbaren Produkten benötigen die Beschaffung, Integration und Erprobung aufgrund der Vielzahl der beteiligten Stellen, sequentieller Abarbeitung und fehlender entscheidungsbefugter und durchsetzungsfähiger Projektleitung Jahre."

Strukturkommission empfahl eine "Umwandlung der Beschaffungsorganisation"

Am Wochenende war es der Spiegel, der weitere Einblicke in diese Welt eröffnete. Einem Bericht des Magazins zufolge flogen im Sommer 2009 Fachleute des Bundesamts für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) in die USA, um dort Einblick in den Bau der Drohne zu bekommen. In ihrem Bericht in die Heimat schlugen sie demnach Alarm: Die Drohne sei bereits fertig gewesen (gegen die Vorschrift), und sie hätten weder vollen Zugang noch volle Einsicht bekommen, weshalb sie sich zunächst geweigert hätten weiterzuprüfen. Die entscheidende Unterschrift soll ein Mitarbeiter geleistet haben, der nicht mehr zuständig war. Außerdem war dem Magazin zu entnehmen, dass, wenn der "Euro Hawk" auf Erprobungsflug geht, stets amerikanische Piloten am Schalthebel sitzen und nicht die dafür ausgebildeten deutschen.

Und als hätte der Minister mit den ständig hinzukommenden Details nicht genügend Probleme, kam am Wochenende die nächste Baustelle dazu. Die Bild am Sonntag berichtete, dass die Staatsanwaltschaft Koblenz unter anderem gegen einen General im Verteidigungsministerium sowie Mitarbeiter einer Beschaffungsbehörde ermittle, außerdem gegen "Verantwortliche eines deutschen Rüstungsunternehmens". Es geht um den Verdacht der Korruption im Zusammenhang mit der Beschaffung von Gewehren für die Bundeswehr: Obwohl man bei Untersuchungen der Waffen Mängel festgestellt habe, seien sie beschafft und an die Truppe geliefert worden. Im März seien bereits Diensträume des BAAINBw durchsucht worden.

Zwei Fälle, zwei Gemengelagen, und doch geht es um das Oberthema Beschaffung. Die Strukturkommission empfahl schon im Herbst 2010 die "Umwandlung der Beschaffungsorganisation in eine Agentur für Beschaffung der Bundeswehr, die sich an den zukünftigen Einsatzanforderungen und zivilen Vorbildern orientiert und das System insgesamt und nachhaltig optimiert". Ausdrücklich hinzugefügt war dieser Hinweis: "einschließlich eines funktionierenden Risikomanagements".

Wie weit es damit im Fall des "Euro Hawk" her war, will de Maizière erst am 5. Juni erläutern. Ebenfalls in der BamS äußerte er sich jetzt jedenfalls schon mal zu seiner Gefühlslage. "Ich leide", sagte er, "unter dem Druck, den ich aushalten muss."

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