EU:Wer am Ende zahlt

Die Idee eines europäischen Flüchtlings-Soli macht die Runde, aber in Deutschland soll er nicht kommen.

Von Cerstin Gammelin, Lima

Europäische Finanzpolitiker haben am Rande der Jahrestagungen internationaler Finanzorganisationen am Wochenende in Lima nach neuen Geldquellen gesucht, mit denen der bislang ungebremste Flüchtlingszuzug unter Kontrolle gebracht werden kann. Werner Hoyer, Chef der Europäischen Investitionsbank (EIB), sagte im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung, dass sich die Kosten, um die Ursachen von Flucht und Migration bekämpfen, "auf einen hohen zweistelligen oder sogar dreistelligen Milliardenbetrag belaufen".

Der Chef der weltweit größten Förderbank forderte, private Unternehmen einzubinden. "Der Privatsektor muss aktiviert werden, um bei den Finanzierungen an Bord zu sein", sagte er. Die EIB, die 2014 Kredite im Wert von 100 Milliarden Euro vergab, werde sich allerdings "nicht an der Finanzierung von Mauern und Zäunen beteiligen. Auch nicht an den europäischen Außengrenzen." Hoyer hält es für dringend nötig, "menschenwürdige Erstaufnahmelager und Unterbringungen zu errichten, aber keine neuen Ghettos". Transitstaaten wie die Türkei und die Länder des westlichen Balkans müssten unterstützt werden. Europa müsse helfen, Perspektiven für junge Leute in deren Heimatländern zu entwickeln.

EU: Flüchtlingsboot mit Schwimmwesten in der Ägäis: Europa streitet über die Lastenverteilung.

Flüchtlingsboot mit Schwimmwesten in der Ägäis: Europa streitet über die Lastenverteilung.

(Foto: Aris Messinis/AFP)

Finanzminister Wolfgang Schäuble warnte in Lima, Europa dürfe "keine Festung werden". Allerdings müsse die EU "eine gewisse Kontrolle" über die Einreise der Flüchtlinge erlangen. Er unterstrich, dass Europa in der Verantwortung sei, die Maßnahmen zu finanzieren. Doch werde "nicht alles" aus dem EU-Haushalt zu bewältigen sein. Die EU-Kommission sei in der Pflicht, Vorschläge zu machen, um weiteres Geld zu beschaffen. Der Minister schloss nicht aus, dass EU-Staaten eine Art Flüchtlings-Soli beschließen könnten, dessen Einnahmen in den EU-Haushalt fließen. Bezogen auf Deutschland schränkte Schäuble ein, er müsse keine Abgabe einführen, weil "Gott sei Dank" Spielraum im Haushalt vorhanden sei: "Andere Länder in Europa haben nicht ganz so viel Spielraum, trotzdem muss das Problem gelöst werden." Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel lehnte eine rein deutsche Abgabe dieser Art ab: Es werde weder einen Steuer-Soli noch Steuererhöhungen geben, sagte sie in einem Bild-Interview.

Frankreichs Finanzminister Michel Sapin warnte, dass die Einführung eines europäischen Flüchtlings-Soli "negative Reaktionen" in der europäischen Öffentlichkeit auslösen könnte. Sie habe die Flüchtlinge "sehr großzügig und offen empfangen", sagte Sapin, aber es gebe auch Anzeichen von Besorgnis und Zorn, das müsse berücksichtigt werden. "Wir müssen alle existierenden Ressourcen mobilisieren, bevor wir neue Vorschläge machen", forderte Sapin. Am kommenden Donnerstag werden die EU-Staats- und Regierungschefs auf ihrem Herbstgipfel in Brüssel über die Finanzierung der Flüchtlingskrise beraten.

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