EU-Türkei-Abkommen:Betont gelassen

Der türkische Präsident droht mit dem Bruch des Flüchtlingspakts. Doch die EU will sich von Erdoğan im Streit um die Visafreiheit nichts aufzwingen lassen. Bei den Zugeständnissen gebe es klare Grenzen, sagte Ratspräsident Tusk.

In Brüssel haben hochrangige EU-Vertreter kühl auf die Drohungen des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan reagiert, das Flüchtlingsabkommen mit der EU platzen zu lassen. "Bei unseren Zugeständnissen gibt es klare Grenzen", sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk am Donnerstag. "Mir ist völlig bewusst, dass wir unsere Maßstäbe nicht dem Rest der Welt aufzwingen können, inklusive der Türkei. Aber die anderen können uns ihre Maßstäbe nicht aufzwingen." EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker betonte, man werde sich Erdoğans Drohungen nicht beugen. Zuvor hatte Angela Merkel erkennen lassen, sie sei "nicht besorgt" darüber, dass die Regierung in Ankara Teile des Pakts möglicherweise nicht wie verabredet umsetzt.

Erdoğan hatte zuvor mit einem Bruch der Abmachungen mit der EU gedroht. Ohne Fortschritte im Streit um die Visumfreiheit werde er ein bereits 2013 vereinbartes Abkommen zur Rücknahme von Flüchtlingen nicht wie verabredet zum 1. Juni in Kraft treten lassen. Einer seiner einflussreichsten Berater ging noch weiter: Sollte die EU ihr Versprechen zur Visumfreiheit nicht halten, "könnte es sein, dass kein einziges Abkommen zwischen der Türkei und der EU bestehen bleibt, weder das Rücknahmeabkommen noch irgend ein anderes Abkommen", sagte Yiğit Bulut dem Sender TRT Haber. Die EU hatte zuvor deutlich gemacht, dass der angestrebte Termin der Visumfreiheit zum 1. Juli nicht mehr haltbar ist. Grund dafür ist vor allem Ankaras Weigerung, das türkische Antiterrorgesetz zu reformieren.

In Brüssel ist allerdings ohnehin umstritten, welchen Anteil die bereits umgesetzten Vereinbarungen mit der Türkei am Rückgang der Flüchtlingszahlen haben. Vor allem Vertreter osteuropäischer Staaten sind der Ansicht, dass die Grenzschließungen auf der Balkanroute wirkungsvoller waren als der Pakt mit der Türkei.

Hinzu kommt, dass das von Erdoğan nun infrage gestellte Abkommen mit der laufenden Rückführung von Flüchtlingen von den griechischen Inseln direkt gar nichts zu tun hat. Das Abkommen soll grundsätzlich die Abschiebung von Migranten erleichtern, die irregulär über die Türkei in die EU einreisen. Die Flüchtlinge, die schon jetzt von den Inseln in die Türkei zurückgebracht werden, werden auf Grundlage einer Vereinbarung zwischen Athen und Ankara abgeschoben.

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