EU-Sondergipfel:Belgisch-britische Doppelspitze für Europa

Schnelle Einigung in Brüssel: Der belgische Ministerpräsident Herman Van Rompuy wird EU-Ratspräsident, die britische Handelskommissarin Catherine Ashton Außenministerin. Der britische Premier Gordon Brown machte den Weg frei - indem er Tony Blair fallen ließ.

Martin Winter, Brüssel

Der Streit um die Spitzenpositionen in der Europäischen Union ist beigelegt. Der Durchbruch kam bei einem EU-Sondergipfel am Donnerstagabend, als der britische Premier Gordon Brown die Kandidatur Tony Blairs für den Präsidenten des Europäischen Rates fallenließ. Den Posten soll der Belgier Herman Van Rompuy erhalten, die Britin Catherine Ashton soll Hohe Vertreterin für die Außen- und Sicherheitspolitik werden.

EU-Sondergipfel: Das neue Team Brüssel: Der Belgier Herman Van Rompuy soll erster Ratspräsident der EU werden, die Britin Catherine Ashton Außenministerin.

Das neue Team Brüssel: Der Belgier Herman Van Rompuy soll erster Ratspräsident der EU werden, die Britin Catherine Ashton Außenministerin.

(Foto: Foto: Reuters)

Der Konflikt um die Berufung eines Präsidenten des Europäischen Rates und des Hohen Vertreters hatte die EU in den vergangenen zwei Wochen blockiert, weil Brown auf seinem Vorgänger Tony Blair beharrte. Doch der wurde nur von einer Minderheit der Mitgliedsländer unterstützt und vor allem von Deutschland und Frankreich abgelehnt.

Brown lenkt ein

Beide Regierungen plädierten für den belgischen Ministerpräsidenten Herman Van Rompuy als Präsident. Der Belgier wurde zu Beginn des Gipfels von Fredrik Reinfeldt, dem schwedischen Ministerpräsidenten und EU-Vorsitzenden, als künftiger Präsident der Versammlung der Staats- und Regierungschefs vorgeschlagen.

Da auch die meisten europäischen Sozialdemokraten gegen Blair waren, weil sie das Amt des Hohen Vertreters für einen der Ihren haben wollten, schwenkte Brown bei einem Sozialistentreffen kurz vor dem Gipfel auf diese Linie ein. Seine Bedingung dafür war, dass die Sozialdemokraten anstatt wie vorgesehen den Italiener Massimo D'Alema die britische Labour-Politikerin Catherine Ashton für das Amt vorschlagen. Das wurde nach einer kurzen Debatte erfüllt.

Die erste Frau in einer Spitzenposition

Bei einem kurzfristig angesetzten Treffen Browns mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, Staatspräsident Nicolas Sarkozy und dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi wurde die Bewerbung des Italieners verworfen. Danach schlugen die sozialdemokratischen Regierungschefs aus Großbritannien, Spanien und Griechenland Ashton vor. Die Britin ist gegenwärtig EU-Handelskommissarin. Sie wäre die erste Frau in einer der vier Spitzenpositionen, die in der EU vergeben werden.

Ob Van Rompuy und Ashton die Zustimmung aller Mitgliedsländer bekommen würden, war am Donnerstagabend aber noch nicht klar. Der Gipfel dauerte noch an. Die beiden Positionen können vom Europäischen Rat zwar mit qualifizierter Mehrheit besetzt werden. Doch sind die meisten Länder bestrebt, eine Kampfabstimmung zu vermeiden. Ziel sei es, "möglichst einen Konsens hinzubekommen", sagte ein hoher Diplomat am Rande des Treffens.

Mit Misstrauen betrachtet

Vor allem um den belgischen Ministerpräsidenten könnte es noch Diskussionen geben. In den östlichen Mitgliedsländern wird er mit Misstrauen betrachtet, weil Belgier genauso wie Luxemburger und Niederländer als Vertreter einer immer weiter integrierten EU gelten. Außerdem sind in den vergangenen Tagen Berichte über eine frühere Rede Van Rompuys aufgetaucht, in der er sich gegen eine Aufnahme der Türkei in die EU ausgesprochen hatte. Dabei hatte er sich unter anderem auf die europäischen Werte bezogen, die auch vom Christentum geprägt seien.

Eine endgültige Entscheidung wurde im Laufe der Nacht zu Freitag erwartet. Sollte Ashton die europäische Chefdiplomatin werden, dann wird sie einige Macht in ihren Händen vereinigen können. Denn sie wird nicht nur Herrin des neu zu schaffenden europäischen diplomatischen Dienstes, sondern zugleich auch Vizepräsidentin der EU-Kommission. Damit hat sie einen direkten Einfluss auf die gesamte Gesetzgebung der Union.

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