EU-Sicherheitsagentur:Belgierin führt Europol

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Catherine De Bolle löst den Briten Rob Wainwright ab. Die 47-Jährige ist die erste Frau an der Europol-Spitze. Unumstritten aber ist die Berufung der Flämin nicht.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Ausgerechnet eine Belgierin soll neue Europol-Direktorin werden soll: Catherine De Bolle. Diese Nachricht hat einen Beigeschmack. Belgien ist eines der europäischen Länder, die islamistischen Terroristen als Basis dienen - und wirkt im Kampf gegen dieses Phänomen eher hilflos, wie manche Fahndungspanne rund um die Anschläge von Paris und Brüssel zeigte. Doch liegt das vermutlich weniger an der nationalen oder föderalen Polizei, der Catherine De Bolle vorsteht, als an lokalen Kompetenzstreitigkeiten und der flämisch-wallonischen Zersplitterung des Landes. Belgiens Innenminister Jan Jambon sah in der Entscheidung für seine Landsfrau gleich eine "Rehabilitation nach all der Kritik nach den Attentaten", den "Beweis, dass Europa die Qualität der belgischen Polizeiarbeit anerkennt".

Die Flämin De Bolle, 47, in Aalst geboren, hat sich einen hervorragenden Ruf erarbeitet in den fünf Jahren als oberste belgische Polizistin. Die gelernte Juristin war die erste Frau auf diesem Posten. Ausgebildet wurde sie bei der Gendarmerie, später leitete sie elf Jahre lang das Polizeikorps der Stadt Ninove. Sie fiel auch deshalb auf, weil sie über die Grundlagen ihres Berufs nachdenkt und Unkonventionelles wagt. Besonders wichtig sind ihr Grundrechtsfragen, die Rechte des Einzelnen in der multikulturellen Gesellschaft. Um ihre Truppe zu sensibilisieren für Fälle von Rassismus und Diskriminierung, die ihnen täglich begegnen, die sie aber auch täglich selbst begehen können, schickt sie ihre Mitarbeiter seit 2014 zu Kursen in das Holocaustmuseum in Mechelen. Von dort wurden während des Zweiten Weltkriegs Tausende Juden deportiert. Es gehe ihr auch darum, sagt sie, jungen Polizisten ein Gefühl zu vermitteln für die Macht, die sie in ihren Händen hielten. Mancher Kollege zog über diesen Ansatz zunächst die Brauen hoch.

Ihre Wahl zur Nachfolgerin des Briten Rob Wainwright war knapp. Der Verwaltungsrat von Europol favorisierte Catherine De Bolle zwar, doch hatte sie einen starken Konkurrenten: Wainwrights Stellvertreter, einen Tschechen, der von Deutschland bevorzugt wurde. Weil keine qualifizierte Mehrheit zustande kam, einigten sich die Botschafter der 28 EU-Staaten schließlich mit einfacher Mehrheit auf Catherine De Bolle.

Auch Europol hatte noch nie eine Frau an der Spitze. Seit 1992 versucht die in Den Haag sitzende Behörde, inzwischen eine offizielle EU-Agentur, den nationalen Polizeien zu helfen. Sie koordiniert deren Arbeit, fördert den Austausch von Informationen, betreibt Datenbanken, steuert eigene Erkenntnisse bei, oft in Form von Studien. Dabei geht es um das sich globalisierende Verbrechen: Geldwäsche, Drogenhandel, Kinderpornografie, illegaler Waffenhandel - und immer mehr um den Kampf gegen Cyberkriminelle und religiös motivierte Terroristen.

In bescheidenem Maße dürfen Europol-Beamte auch selbst ermitteln, allerdings nicht auf eigene Faust, sondern nur als Teil länderübergreifender Operationen. Schon lange fordern Politiker, und nicht nur konservative, das müsse sich ändern, die EU brauche ein "europäisches FBI". Aber das wird wohl auch in De Bolles Amtszeit nicht kommen.

© SZ vom 11.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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