EU-Sanktionen:Süchtig nach Moskaus Milliarden

Britisches Bruttoinlandsprodukt

Der Finanzplatz London zieht unglaubliche Summen aus Russland an

(Foto: dpa)

Europa ist schockiert davon, wie Russland auf der Krim das Völkerrecht verletzt - aber mit Sanktionen tut sich Brüssel schwer. Zwar ist Russland abhängiger von der EU als umgekehrt. Doch ganze Branchen in Europa leben vom Geld reicher Russen.

Von Julian Hans, Moskau

Man kann zum Beispiel einen Spaziergang um den schönen Tegernsee machen, um einen Eindruck davon zu gewinnen, welche Wirkung das Geld in Westeuropa entfaltet, das von den Superreichen aus Russland fortgeschafft wird. Mit etwas Glück begegnet man dort Alischer Usmanow, stets begleitet von mehreren Leibwächtern, immerhin ist er mit einem von Forbes geschätzten Vermögen von 15 Milliarden Dollar der reichste Mann Russlands. Neben seinen privaten Geschäften in Metallindustrie, Telekommunikation und diversen anderen Branchen ist der Putin-Freund auch Generaldirektor von Gazprom Investholding, einer Tochter des staatlichen Konzerns Gazprom.

Seine Wahl ist auf eine ganz besondere Immobilie am Südufer gefallen: Die Villa wurde 1936 für den SS-General Karl Wolff errichtet und nun für 20 Millionen Euro verkauft. Usmanow trat nicht als Käufer auf, das Geschäft wurde über die Firma "Tegernsee Limited" mit Sitz im Steuerparadies Isle of Man abgewickelt. Usmanows Nachbar am anderen Ufer ist Iwan Schuwalow, der sein Geld mit dem Bau von Pipelines für Gazprom verdient.

Das Vermögen der russischen Reichen

Europa ist zwar schockiert davon, wie Russland mit dem Vorgehen in der Ukraine das Völkerrecht verletzt - aber mit Sanktionen tun sich die europäischen Regierungen schwer, selbst wenn sie nur gegen einzelne Politiker und hohe Beamte gerichtet sind. Denn Europa braucht nicht nur russische Energie und Rohstoffe.

Inzwischen leben einige Branchen sehr gut von den Vermögen der russischen Reichen. Es ist willkommen bei Immobilienmaklern in München, Berlin und Baden-Baden, bei britischen Internaten, an der Londoner Börse und auf Banken im Kanton Zug. Und natürlich in den Offshore-Paradiesen, auf denen das Geld sich auf dem Weg zwischen Herkunftsort und diesen unterschiedlichen Stationen ausruht.

Bei den Diskussionen um Strafmaßnahmen wird zwar immer wieder betont, dass Russland ein wichtiger Handelspartner für Europa ist: Russland kauft etwa sieben Prozent der Ausfuhren aus der Europäischen Union. Allerdings ist die Abhängigkeit andersherum deutlich größer: Die EU ihrerseits ist Russlands größter Handelspartner - etwa die Hälfte des russischen Außenhandelsvolumens fällt auf EU-Staaten. Während Deutschland vor allem auf billige Energie angewiesen ist, leben anderswo ganze Branchen von den wohlhabenden russischen Kunden.

Privatschulen, Anwälte und die Londoner Börse

So laut auch russische Politiker öffentlich ihren Patriotismus bekunden, unter den Reichen und Mächtigen ist es eine Frage des Prestiges, die Kinder auf britische Internate zu schicken. Nach Angaben des Independent School Councils, einem Zusammenschluss britischer Privatschulen, sind 2013 mehr als 2100 russische Kinder an britischen Internaten unterrichtet worden. Ausgehend von einem durchschnittlichen Schulgeld von etwa 11 000 Euro pro Halbjahr verdienen britische Privatschulen an den Zöglingen geschätzte 72 Millionen Euro im Jahr.

Das sind natürlich Peanuts im Vergleich zu den Summen, die der Finanzplatz London aus Russland anzieht. An der Londoner Börse sind mehr als 50 Firmen notiert, die ihre Geschäfte in Russland machen, darunter auch Usmanows Mobilfunkriese Megafon. Dazu kommt noch eine ganze Armee von Anwälten, die vom juristischen Drumherum lebt. Das britische Rechtswesen hat sich zu einer bedeutenden Einnahmequelle für die Londoner City entwickelt. Viele Unternehmen aus der Energiebranche schließen Verträge nach englischem Recht ab. Und russische Oligarchen fechten ihre Streitigkeiten gerne vor Londoner Gerichten aus.

Mehr als 60 Prozent der Fälle, mit denen sich die Londoner Handelsgerichte beschäftigen, werden von Parteien aus Russland und Osteuropa angestrengt. Spektakulärstes Beispiel war der Prozess zwischen Roman Abramowitsch und Boris Beresowski, der im Sommer 2012 mit einer Niederlage Beresowskis endete. Lord Jonathan Sumption, der Abramowitsch als Anwalt vertreten hatte, ist danach auf die Richterbank des Londoner Obersten Gerichtshofs aufgerückt.

Während Europa zögert, macht Russland eine Androhung wahr

Weil die Kunden sich gern in der Nähe ihrer Kinder und ihres Geldes aufhalten, treibt das russische Geld auch den englischen Immobilienmarkt zu immer neuen Rekorden. Fast fünf Prozent der Premium-Immobilien, die im vergangenen Jahr in London den Besitzer wechselten, sollen von Russen erworben worden sein, berichtet die US-Zeitschrift New Republic.

Während Europa noch zögert, machte Russland am Donnerstag in einem Fall seine Androhung wahr, seinerseits Vermögen ausländischer Firmen und Privatpersonen zu beschlagnahmen. Die russische Zentralbank stellte die Moskauer Niederlassung der größten ukrainischen Bank mit sofortiger Wirkung unter Zwangsverwaltung. Die Banklizenz werde der Moskomprivatbank - die zu einem Drittel dem ukrainischen Milliardär Igor Kolomoiski gehört - jedoch nicht entzogen, erklärte die Notenbank am Donnerstag.

Kolomoiski ist laut Forbes der drittreichste Mann der Ukraine und wurde erst vor wenigen Tagen von der neuen Regierung zum Gouverneur seiner Heimatregion Dnipropetrowsk ernannt. Russlands Präsident Wladimir Putin, der die Regierung in Kiew nicht anerkennt, hatte Kolomoiski daraufhin als "Betrüger" und "Schurken" bezeichnet und warf ihm vor, einen Vertrag mit dem russischen Oligarchen Roman Abramowitsch gebrochen zu haben. Die Moskomprivatbank verfügt über ein Vermögen von umgerechnet etwa einer Milliarde Euro.

Linktipps:

  • In unserem Newsblog lesen Sie alles zu den aktuellen Entwicklungen in der Krim-Krise.
  • Warum die Europäer der russischen Willkür jetzt Entschlossenheit entgegensetzen müssen, schreibt Stefan Kornelius hier.
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