EU-Reformen:Europa bleibt mühsam

Emmanuel Macron Visits Berlin

Die Reformblaupausen von Kanzlerin Merkel und Frankreichs Präsident Macron werden der eigentlichen Dimension Europas nicht gerecht.

(Foto: Getty Images)

Nicht die EU-Reförmchen sind das Problem der Gemeinschaft. Das Problem sind die Gemeinschaftsverweigerer. Der Zauber Europas muss sich gegen sie richten.

Kommentar von Stefan Kornelius

Zwei Europas gibt es in Deutschland, wenn es um das Thema Reformen geht. Das eine ist das Europa der Sorbonne, jener Universität, die in der jüngsten Reformdebatte zum Synonym hochfliegender Visionen des französischen Präsidenten wurde. Das andere ist das Europa der Spiegelstriche, das im Koalitionsvertrag der Bundesregierung zwar an erster Stelle steht, aber nicht gerade strotzt vor Präzision und visionärer Kraft.

Beide Reformblaupausen allerdings werden der eigentlichen Dimension Europas nicht gerecht. Die zu verhandelnde Materie ist ziemlich kompliziert und damit ungeeignet für die pompöse Rede. Zudem erzwingt jede Reform die Mitarbeit von 27 Staaten, und nicht nur die von Frankreich und Deutschland. Deshalb wird jeder europäische Fortschritt zwangsläufig erst einmal durch die Mühsal der Ebene gejagt.

Diese Langstrecke taugt jenen Adrenalinjunkies von der Union nicht, die mal eben schnell Krawall brauchen, etwa auf Kosten des französischen Präsidenten. Sie taugt aber genauso wenig allen Europa-Groupies, die in Macron einen Magier sehen, der die Probleme in große Worte kleidet und damit einfach verschwinden lässt. Ob Sorbonne oder Spiegelstriche: Europa bleibt Europa und damit mühsam.

Zu den Reformen gehören eine Bankenunion und ein Europäischer Währungsfonds

Die deutsche Bundeskanzlerin und der französische Präsident sagen das übrigens schon seit Monaten, es mag offenbar nur keiner zuhören. Es wird bis Ende Juni dauern, ehe man sich zu zweit und wohl auch im großen Kreis aller Mitglieder auf ein paar Reformen geeinigt hat. Dazu gehören eine Bankenunion und ein Europäischer Währungsfonds, eine gemeinsame Asylregelung und vielleicht ein paar andere Kleinigkeiten.

Von einem europäischen Finanzminister hingegen spricht Macron nicht mehr, und auch nicht von einem großen, zweiten Budget, auch wenn das die Empörungsriege immer wieder behauptet. Vielmehr formuliert er ein bisschen abstrakt von "Konvergenz und Solidarität", was übersetzt heißt: Wir werden geben, aber wir werden auch fordern. Bei Merkel heißt die Formel "Solidarität und Wettbewerb". Übersetzung für alle außerhalb Brüssels: Eine Bankenunion wird es zwar geben, aber ohne Haftung für Altlasten; dito beim Thema Europäischer Währungsfonds, der nicht einfach zu einem neuen Finanzierungsinstrument wird.

Ohne Herzblut für diese EU geht es auch nicht

Es nutzt also wenig, die europäische Reformdebatte zu einem großen Popanz aufzublasen und sich dann daran abzuarbeiten, wie es in dieser Woche in Berlin geschehen ist. Also: Nerven bewahren, Deutschlands Tafelsilber wird nicht verkauft, aber ganz ohne Herzblut für diese EU geht es eben auch nicht.

Wichtig ist nämlich, was Merkel ("Werte nur gemeinsam weltweit durchsetzen") und Macron ("unsere gemeinsame Souveränität wird auf die Probe gestellt") zwischen den Zeilen sagen: Es geht hier gar nicht so sehr um eine Bankenunion oder einen Investitionshaushalt. Es geht um die Demonstration von Einigkeit und Geschlossenheit. Nicht Europas Reförmchen sind das Problem der Gemeinschaft. Das Problem sind die Gemeinschaftsverweigerer und all jene in Peking, Moskau oder Washington, die in der Idee eines starken, demokratischen Staatenverbundes einen Nachteil für sich oder gar eine Bedrohung wittern. Der Zauber Europas muss sich gegen sie richten.

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