EU-Reaktionen auf Griechenlands Premier Tsipras:"So läuft das nicht!"

Greek Prime Minister Alexis Tsipras Meets President Of The European Parliament Martin Schulz

Trafen sich in Athen: Griechenlands Premier Alexis Tsipras und Martin Schulz, Präsident des Europaparlaments.

(Foto: Milos Bicanski/Getty)
  • Knapp eine Woche ist der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras im Amt - doch die hat gereicht, um Europa durcheinanderzubringen und viele EU-Regierungen zu verstimmen.
  • Athens neuer Finanzminister Varoufakis kündigt der Troika.
  • Tsipras scheint entschlossen zu sein, die Sparpolitik zu beenden - und nimmt in Kauf, dass den Griechen dann der Geldhahn zugedreht wird.
  • Finanzminister Schäuble hält die Besuche von EU-Parlamentspräsident Schulz und Euro-Gruppen-Chef Dijsselbloem in Athen für falsch.

Von Claus Hulverscheidt, Berlin, und Cerstin Gammelin, Athen

Was tun mit Alexis Tsipras? Knapp eine Woche ist der griechische Ministerpräsident im Amt, doch schon die wenigen Tage haben gereicht, um Europa in ein heilloses Durcheinander zu stürzen. Während Vertreter aus Brüssel, Rom und Paris das Gespräch mit dem neuen Premier suchen, ihn einladen oder selbst besuchen, warnen Deutschland, Finnland und Spanien vor übereilten Zugeständnissen. Vor allem Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ist erbost: Er hält die Besuche von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz und Euro-Gruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem in Athen für grundfalsch und warnt Tsipras, man werde sich nicht erpressen lassen.

Was die Debatte so schwierig macht, ist, dass sie über profane Dinge wie Zahlen, Schuldenschnitte und Haushaltssanierung weit hinausgeht. Für die Griechen stehen Werte wie Souveränität und Nationalstolz im Mittelpunkt, sie wollen nach Jahren der gefühlten Fremdherrschaft durch die Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) wieder Herren im eigenen Haus sein. Athens neuer Finanzminister Yanis Varoufakis verdeutlichte das am Freitag glasklar: "Unser Land weigert sich mit der Troika zu kooperieren", sagte er nach einem Treffen mit Dijsselbloem. Andererseits befürchten Schäuble und Kanzlerin Angela Merkel insgeheim, dass es Paris und Rom mit ihrer Einladungspolitik in Wahrheit um einen Kurswechsel in Europa geht, der in Griechenland seinen Ausgangspunkt nehmen soll.

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Schäuble hatte sich deshalb bereits zu Wochenbeginn darum bemüht, die Besuche führender EU-Vertreter in Athen zu verhindern. Beim Treffen der Euro-Finanzminister kam es darüber zum Streit, Schäuble unterlag. Auf die Frage, mit welcher Mission Dijssselbloem zu Tsipras fahre, sagte Schäuble danach bissig: "Mit gar keiner. Es herrscht Reisefreiheit in Europa." Aus Berliner Sicht sendet die EU mit den Reisen nach Athen ein fatales Signal aus: Wer nur radikal genug auftritt, bringt die Euro-Partner dazu einzuknicken.

Auch in Spanien ist die linkspopulistische Opposition stark

Geteilt wird diese Einschätzung dem Vernehmen nach unter anderem vom finnischen Ministerpräsidenten Alexander Stubb, der vor Wahlen steht, und von Spaniens Regierungschef Mariano Rajoy, der es ebenfalls mit einer erstarkenden linkspopulistischen Opposition zu tun hat.

Schulz und Dijsselbloem dagegen argumentieren, sie wollten Tsipras nicht etwa hofieren, sondern rechtzeitig vor dessen erstem EU-Gipfel am 12. Februar in die Realität zurückzuholen. Die Botschaft an Tsipras, so heißt es in EU-Kreisen, laute: So wie in den ersten Tagen läuft das nicht! Der Syriza-Chef könne sich auch nach einem großen Wahlsieg nicht so benehmen, "als sei Europa ein erweitertes Griechenland". Die EU sei eine Gemeinschaft mit Regeln, an die sich alle halten müssten.

Schulz machte Tsipras seinen eigenen Worten zufolge deutlich, dieser müsse in Europa künftig statt als Partei- als Regierungschef auftreten. Andernfalls bliebe auch den Kollegen nichts übrig, als ihrerseits die nationale Karte zu spielen. Wenn der griechische Premier aber mit Vorschlägen etwa zur Bekämpfung von Korruption und Steuerflucht zum EU-Gipfel komme, werde er offene Türen einrennen. Dijsselbloem kritisierte vor seinem Abflug nach Athen, Syriza habe im Wahlkampf überzogene Erwartungen geweckt.

Notfalls werde man den Europäischen Gerichtshof einschalten

Die Botschaft ist jedoch offenbar nicht angekommen. Tsipras scheint entschlossen zu sein, die Sparpolitik zu beenden - selbst wenn den Griechen der Geldhahn zugedreht werde, berichtete die dpa unter Berufung auf Athener Regierungskreise. Notfalls werde man den Europäischen Gerichtshof einschalten. Viele Sparentscheidungen der vergangenen Jahre seien "illegal" gewesen, hieß es in den Kreisen.

In den nächsten Wochen will der Premier unter anderem nach Brüssel, Rom und Paris reisen, um seine Pläne zu erläutern. Ein Besuch in Berlin ist dagegen nicht vorgesehen, Merkel wird ihren neuen Kollegen daher wohl erst beim Gipfel kennenlernen. Um Zeit für weitere Verhandlungen mit den Euro-Partnern zu gewinnen, wird in Tsipras' Stab darüber nachgedacht, wie nach dem Auslaufen des bisherigen Hilfsprogramms Ende Februar eine "Brücke" bis zum Abschluss einer neuen Vereinbarung aussehen könnte. Der Regierungschef selbst sagte, eine Verlängerung des alten Programms komme nicht in Frage, da es für Arbeitslosigkeit und Armut in seinem Land verantwortlich gewesen und von den Wählern am Sonntag abgelehnt worden sei.

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