EU-Parlament:Ohne Schengen kein Euro

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"Wenn der Geist von Schengen unsere Länder und Herzen verlässt, werden wir mehr als Schengen verlieren", sagt EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Auch Parlamentarier warnen davor, Flüchtlinge unter Generalverdacht zu stellen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, hat davor gewarnt, die Terroranschläge von Paris für eine Abschottung gegen Flüchtlinge zu missbrauchen. "Ich warne vor gefährlichen Vermengungen", sagte er am Mittwoch während einer Debatte zu den Terroranschlägen im Europäischen Parlament in Straßburg. Jene, die den Terror ins Werk setzten, seien auch jene, die die Menschen zur Flucht zwängen. Eindringlich warnte Juncker davor, die Errungenschaft des Reisens ohne Grenzkontrollen im Schengen-Raum aufzugeben. "Wenn der Geist von Schengen unsere Länder und Herzen verlässt, werden wir mehr als Schengen verlieren", warnte Juncker. Wenn Schengen falle, habe auch die gemeinsame Währung nicht mehr viel Sinn.

Redner der meisten Fraktionen schlossen sich Junckers Mahnung an, die Flüchtlinge nicht für den Terror in Haftung zu nehmen. "Es wäre ein Sieg der Terroristen, wenn es gelänge, eine ganze Religionsgruppe unter Generalverdacht zu stellen", sagte der Vorsitzende der Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) und CSU-Vizevorsitzende, Manfred Weber. "Mit dem Verweis auf die Terrorangriffe werden Grenzen zwischen Mitgliedstaaten geschlossen, die Einführung von Obergrenzen diskutiert, Flüchtlinge schon an den Außengrenzen der EU abgewiesen und eine makabre Definition für sogenannte sichere Herkunftsländer aufgestellt", kritisierte die Fraktionschefin der Linken, Gabi Zimmer. Einige missbrauchten die Pariser Tragödie, um Punkte bei Wählern zu sammeln, sagte der Chef der Liberalen, Guy Verhofstadt. Er nannte dabei die Vorsitzende des Front National, Marine Le Pen, und Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy.

Die Geheimdienste sollen enger zusammenarbeiten, mehr Überwachung stößt auf Kritik

Die Parlamentarier sprachen sich für eine verstärkte Zusammenarbeit der EU-Staaten im Kampf gegen den Terrorismus aus. "Die Anschläge zeigen uns einmal mehr, dass die Zusammenarbeit von Polizei, Ermittlungsbehörden und Geheimdiensten gestärkt werden muss", sagte der Fraktionschef der Grünen, Philippe Lamberts. Nötig sei eine bessere personelle und finanzielle Ausstattung. "Im Angesicht des brutalen Dschihad brauchen wir mehr und nicht weniger Europa", sagte der sozialdemokratische Fraktionsvorsitzende Gianni Pittella. So sei etwa auch eine engere Kooperation der Geheimdienste notwendig.

Umstritten blieb die von den EU-Staaten angestrebte Speicherung von Fluggastdaten auch auf innereuropäischen Flügen. Diese stößt seit Jahren im EU-Parlament auf Widerstand. Nach den Anschlägen von Paris hatte Frankreich den Druck in dieser Frage erhöht. Die luxemburgische Ratspräsidentschaft hofft auf eine Einigung bis Jahresende. EVP-Fraktionschef Weber warf den Sozialdemokraten vor, zu bremsen.

Es sei falsch, Massenüberwachung als "Zaubermittel gegen Terror" darzustellen, kritisierte der grüne Fraktionschef Lamberts. "Projekte wie ein europäisches Fluggastdatensystem sind ineffizient und fressen Geld, das an anderer Stelle dringend gebraucht wird. Nichts rechtfertigt eine generelle Überwachung der gesamten Bevölkerung", sagte er.

© SZ vom 26.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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