EU:Missbrauch im Parlament

Die Europa-Abgeordneten debattieren über sexuelle Übergriffe aus ihren Reihen. Es war an der Zeit.

Von Alexander Mühlauer

Er, 71 Jahre alt, Ex-Minister, schreibt eine sexistische SMS an sie, 25, Assistentin im EU-Parlament. Er, der schon lange im Hohen Haus ist, fasst ihr, der persönlichen Mitarbeiterin, im Aufzug an den Po. Er, der altgediente Volksvertreter, masturbiert vor ihr, der jungen Assistentin. Dieser Kommentar ließe sich bis zur letzten Zeile mit ähnlichen Berichten füllen. So viele gibt es inzwischen davon. Es sind Erfahrungen im Herzen der europäischen Demokratie, von denen Frauen einer Zeitung erzählt haben. Geschichten aus dem EU-Parlament, die ein Ausmaß an sexueller Gewalt, Belästigung und dämlichen Sprüchen offenbaren, das unerträglich ist.

Die geschilderten Übergriffe machen sprachlos. Genau deshalb muss man darüber reden. Das Plenum in Straßburg hat das nun getan. Es war eine ehrliche Debatte, ausgelöst von der Me-Too-Bewegung, die seit dem Fall Weinstein Frauen auf der ganzen Welt dazu bringt, ihre persönlichen Erfahrungen zu teilen. Das Parlament ist dafür der richtige Platz.

Gerade im Politikbetrieb gibt es Strukturen der Abhängigkeit. Der Abgeordnete ist vom Volk gewählt. Seine Mitarbeiter haben diesen Rückhalt nicht, sie sind ihm verpflichtet. Meist sind Männer in der Machtposition - und ihre Assistentinnen jederzeit kündbar. Einen Missbrauch derartiger prekärer Verhältnisse darf es nicht geben. Nirgendwo. Schon gar nicht im Parlament.

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