EU:Merkel springt Juncker bei

EU Kommissionspräsident Juncker bei Merkel

Angela Merkel hat Jean-Claude Juncker ins Amt befördert. Nun stärkt sie dem EU-Kommissionschef in Zeiten der Unsicherheit den Rücken.

(Foto: Kay Nietfeld/picture alliance/dpa)

Die Kanzlerin bekräftigt die gute Zusammenarbeit mit dem EU-Kommissionschef. Damit tritt sie Kritik an der Behörde entgegen - die auch aus ihrer Partei kommt.

Von Daniel Brössler und Cerstin Gammelin, Berlin/Brüssel

Jetzt bloß keine Personaldiskussionen in Europa. Regierungssprecher Steffen Seibert zeigte sich am Montag in Berlin sichtlich bemüht, Zweifel zu zerstreuen, wonach Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) unzufrieden sein könnte mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Es gebe "keinen Grund", die bisherige Einschätzung zu revidieren, sagte Seibert. Merkel und Juncker verbinde unverändert "eine enge, eine gute Zusammenarbeit".

Das klingt pragmatisch, und so ist es wohl auch gemeint. Merkel hat Juncker maßgeblich mit ins Amt befördert, ihn jetzt in den unsicheren Zeiten des britischen Austrittsbeschlusses aus der Europäischen Union zu opfern, würde neue Unsicherheiten befördern. Es würde der Lesart entgegenstehen, die sie vergangene Woche im Bundestag ausgegeben hat, dass nämlich alles willkommen ist, was die EU der 27 Mitgliedstaaten zusammenhält.

Dazu gehört demnach auch Juncker, bisher jedenfalls. Aber noch etwas wird deutlich an diesem Montag in Berlin: Wichtiger als die Personalie ist ihr die Behörde. "Die Kommission wird eine entscheidende Rolle spielen, um Europa voranzubringen", sagte Seibert. Die Gewichtung der Worte fällt auf: Die Zusammenarbeit mit Juncker ist gut. Die mit der EU-Kommission entscheidend. Seibert macht damit auch deutlich, dass seine Chefin die Sache mit der Kommission anders sieht als der Bundesfinanzminister. Wolfgang Schäuble hatte am Wochenende in einigen Interviews dafür plädiert, europäische Projekte notfalls auch ohne die Europäische Kommission und nur mit einer Koalition der Willigen zu starten. "Wenn nicht alle 27 von Anfang an mitziehen, dann starten halt einige wenige. Und wenn die Kommission nicht mittut, dann nehmen wir die Sache selbst in die Hand, lösen die Probleme eben zwischen den Regierungen. Dieser intergouvernementale Ansatz hat sich in der Euro-Krise bewährt", sagte Schäuble.

Mag sein, dass der Bundesfinanzminister und die Bundeskanzlerin über Bande spielen auf der Suche nach einem gangbaren Weg aus der europäischen Krise. Tatsache ist jedenfalls, dass die beiden international bekanntesten Politiker der Bundesrepublik öffentlich darüber streiten, wo es langgehen soll - und mit wem.

Dass eine gute Woche nach dem Brexit-Votum über europäisches Personal diskutiert wird, ist neben Schäuble auch der englischen Presse zu verdanken. Sie zitierte am Wochenende einen namentlich nicht genannten deutschen Minister mit den Worten: "Juncker hat immer wieder gegen das gemeinsame Interesse verstoßen, und seine Reaktion auf das britische Referendum war sehr schädlich. Dies ist nicht die Zeit für institutionelle Streitereien, aber der Druck auf ihn, zurückzutreten, wird nur noch größer werden." Merkel betrachte Juncker mittlerweile als "Teil des Problems", heißt es in dem Bericht weiter. Der Druck auf Juncker wächst zudem, weil die Kommission und der Europäische Rat, also die Länderkammer der EU, darüber streiten, wer die Austrittsverhandlungen mit Großbritannien führen soll. Das Europäische Parlament plädiert für die Kommission, mehrere Staaten wollen hingegen in der Länderkammer verhandeln.

Ein Sprecher der EU-Kommission lehnte es ab, näher auf die Berichte britischer Zeitungen oder auch die Kritik des deutschen Finanzministers Schäuble an der EU-Kommission einzugehen. "Wir lesen Artikel, die die Kommission in ihren Reformbemühungen unterstützen, und wir lesen Artikel, die nicht so schmeichelhaft sind", sagte er. Die Kommission nehme aber weder zu den einen noch zu den anderen Stellung. Nur so viel: "Wir haben viel zu tun." Angesichts der anhaltenden Krise werde die Kommission in ihrem Reformeifer nicht nachlassen und sich weiter der Modernisierung der europäischen Wirtschaft widmen.

Juncker sieht sich als Chef einer "politischen" Kommission. Das ruft Unmut hervor

Kommissionspräsident Juncker hatte Kritik an seiner Person und Spekulationen über seinen Gesundheitszustand in den vergangenen Tagen mehrmals zurückgewiesen. Er sei weder krank noch müde, hatte er betont. In Großbritannien und einigen Staaten im Osten der EU wird ihm eine Mitschuld am Ausgang des Referendums gegeben, weil sein Streben nach mehr Integration das Misstrauen gegen die europäischen Institutionen verstärkt habe.

Innerhalb der EU-Kommission wiederum wurde kritisiert, dass nicht in die Kampagne vor dem Brexit-Referendum eingegriffen worden war. Dies hatte Juncker allerdings auf Bitten von Premier David Cameron verfügt. Unmut ruft auch das Amtsverständnis Junckers hervor, der betont, einer "politischen" Kommission vorzustehen. In der Flüchtlingskrise setzt sich Juncker vehement für eine EU-weite Verteilung von Flüchtlingen über ein Quotensystem ein. Außerdem lässt er betont Milde bei der Anwendung der Regeln des Stabilitäts- und Wachstumspaktes walten.

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