EU: Lissabonner Vertrag:Ein Mann gegen ganz Europa

Tschechiens Staatspräsident Vaclav Klaus ist einer der großen Narzisten Europas. Der Lissabonner Vertrag könnte an seiner Unbeugsamkeit scheitern.

Klaus Brill

Er mag es, wenn das große Bühnenlicht auf ihn gerichtet ist. Vaclav Klaus, der tschechische Staatspräsident, der als Europas oberster EU-Kritiker bekannt ist, hat schon vor Monaten stolz verkündet, von allen Staatschefs der 27 EU-Länder werde er als letzter entscheiden, ob er seine Unterschrift unter die Ratifikationsurkunde des Lissabonner Vertrags setzt. Vermutlich wird es auch so kommen.

EU: Lissabonner Vertrag: Europas oberster EU-Kritiker: Tschechiens Staatspräsident Vaclav Klaus.

Europas oberster EU-Kritiker: Tschechiens Staatspräsident Vaclav Klaus.

(Foto: Foto: AFP)

Zwar haben beide Kammern des Prager Parlaments schon im Frühjahr die Organisationsreform der EU mit großer Mehrheit gebilligt. Doch 17 Senatoren, die das Inkrafttreten des Vertragswerks noch immer torpedieren möchten, haben jüngst erneut das tschechische Verfassungsgericht angerufen. Und Klaus will nicht nur das irische Referendum, sondern auch den Spruch der Obersten Richter in Brünn abwarten, ehe er aktiv wird. Auch wenn die Verfassungshüter den Weg freigeben, könnte der Lissabonner Vertrag also immer noch auf den allerletzten Metern an der Unbeugsamkeit eines einzelnen Politikers scheitern.

Vaclav Klaus sitzt am längsten Hebel, und offenkundig findet der Neoliberale und Marktradikale, der seine Überzeugungen stets in elegantem Stil, aber mit kämpferischer Verve vorträgt, an dieser Schlüsselrolle Gefallen. Kritiker haben ihn längst neben Silvio Berlusconi und Nicolas Sarkozy in die großen Narzisten Europas eingereiht. Populismus ist ihm nicht fremd. Jüngst wetterte er gegen die Abschaffung der Glühbirnen durch die EU-Kommission. Und wie eh und je rennt er gegen alle Umwelt- und Klimaschützer an.

Dass die 17 Senatoren, die ihm in die Hände arbeiten, mit ihren neuerlichen Vorstößen beim Verfassungsgericht Erfolg haben, wird allerdings nicht erwartet. Und offenkundig sind die Richter ebenso wie die Prager Regierung bemüht, die Angelegenheit möglichst rasch zu behandeln. Aber was tut Klaus, wenn ihm das Heft des Handelns in die Hand gegeben wird?

Dass er sich am Ende allein gegen alle anderen Institutionen der Tschechischen Republik stellen wird, halten Kenner in Prag für unwahrscheinlich. Der 68-Jährige werde, wenn der Druck wächst, nachgeben, sagt ein früherer Freund, der lange mit ihm eng zusammen gearbeitet hat. In Regierungskreisen kalkuliert man ebenso. Nach einem Bericht der Zeitung Hospodarske noviny erwägen Juristen eine Klage gegen Klaus wegen Inaktivität. Ansatzpunkt wäre ein Zusatz zum Vertrag über eine Europäische Sozialcharta, den der Präsident seit vier Jahren schmoren lässt.

In einem ähnlichen Fall hat man ihm Beine gemacht: Im Sommer wurde eine Anzeige erwogen, weil Klaus den vom Parlament vor einem Jahr gebilligten Vertrag über einen Internationalen Strafgerichtshof nach neun Monaten noch nicht unterzeichnet hatte. Er tat dies jedoch sofort, als er von dem geplanten Vorstoß hörte.

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