EU:Italien pokert

Im Streit zwischen Italien und dem Rest der EU-Staaten über die Aufnahme und faire Verteilung von Migranten zeichnet sich weiterhin keine Lösung ab. Italien verlangt weitere Zugeständnisse der Partnerländer.

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Im Streit zwischen Italien und dem Rest der EU-Staaten über die Aufnahme und faire Verteilung von Migranten zeichnet sich weiter keine Lösung ab. Italien verlangt ein Zeichen der Partnerländer, das über die Zugeständnisse hinausgeht, die kürzlich bei einem Innenministertreffen im estnischen Tallinn gemacht wurden. Rom will erreichen, dass auch andere Länder ihre Häfen für Boote mit Flüchtlingen öffnen. Weil es mit dieser Forderung aber nicht weiterkommt, blockierte die Regierung am Montag beim Außenministertreffen in Brüssel die eigentlich geplante Verlängerung des EU-Militäreinsatzes vor der libyschen Küste.

Niemand will neben Italien seine Häfen für Flüchtlinge öffnen. Solidarität? Nur verbal

Das Mandat der Operation "Sophia" läuft am 27. Juli aus. Bis dahin sei noch etwas Zeit, beschwichtigte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, die auch bemüht war, den Fokus von Italien wegzunehmen. Was die Verlängerung angehe, gebe es "kein bestimmtes Problem mit einem bestimmten Land", sagte sie. Allerdings hatte sich schon am Freitag abgezeichnet, dass Italien blockieren werde. In EU-Kreisen hieß es daraufhin, es sei nicht auszuschließen, dass Rom damit weitere Zugeständnisse anderer Staaten bei der Aufnahme von Migranten erzwingen wolle. Was Italien im Detail bezweckt, blieb am Montag unklar. Bei der Versorgung der aus Seenot geretteten Geflüchteten sei offensichtlich, "dass man Italien unter die Arme greifen muss", sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes in Berlin.

Die Operation "Sophia", auch Eunavformed genannt, wurde 2015 ins Leben gerufen, um vor allem die Schleuser im Mittelmeer zu stoppen, notfalls mit militärischen Mitteln. Bis Juni 2017 gelang es nach Auskunft der EU-Kommission, 109 mutmaßliche Schleuser festzunehmen und 444 Schleuserboote zu zerstören. Um mehr zu bewirken, müssten die EU-Schiffe auch in libyschen Küstengewässern eingreifen dürfen. Mit dem dafür nötigen UN-Mandat ist nicht zu rechnen. Wichtiger sind in jüngster Zeit zwei andere Ziele der Mission geworden: die Ausbildung von Rekruten der libyschen Küstenwache, die künftig Migranten in eigenen Gewässern aufhalten und zurück nach Libyen schicken sollen, sowie die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot. Die EU-Schiffe haben, im Gegensatz zu den Schiffen privater Rettungsorganisationen, die Befugnis, die Geretteten nach Italien zu bringen. Inzwischen sammeln sie auf dem Mittelmeer allerdings Zehntausende Migranten auf, was Italien zunehmend als Problem ansieht. Kein EU-Staat hat sich aber bereit erklärt, selbst zur Anlaufstelle für die Sophia-Boote zu werden. Stattdessen waren allgemeine Solidaritätserklärungen mit Italien zu vernehmen. Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn forderte eine "wirksame Umverteilung von Flüchtlingen auf die anderen 27 EU-Staaten". Sonst drohe "eine Katastrophe", nicht nur für Italien, sondern "für die ganze Europäische Union".

Die Bemühungen, die politische Lage in Libyen zu stabilisieren, kommen nach Einschätzung von EU-Diplomaten kaum voran. Wenn Migranten künftig, wie geplant, nach Libyen zurückgebracht werden sollten, müsse die EU "tiefer in die Tasche greifen", sagte Asselborn, um dort das UN-Flüchtlingshilfswerk und die Internationale Organisation für Migration zu unterstützen. Menschen in die bestehenden Flüchtlingscamps zurückzuschicken, sei aus seiner Sicht tabu.

Um das Geschäftsmodell der Schleuser zu behindern, dürfen die EU-Staaten künftig den Export von Schlauchbooten und Außenbordmotoren nach Libyen stoppen. Wenn es Hinweise gebe, dass solche Güter von Schleusern benutzt werden, könnten sich die Staaten auf neue Ausfuhrbeschränkungen berufen, teilte der Ministerrat am Montag mit.

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