EU-Erweiterung:Sorge um den Balkan

Eigentlich sind sie Beitrittskandidaten. Doch neue Krisen haben den Westbalkan ganz oben auf die Sorgen-Agenda der EU gebracht.

Von Daniel Brössler

Als Federica Mogherini, die EU-Außenbeauftragte, vor ein paar Tagen das Parlament in Belgrad besuchte, hatte sie eine "Botschaft an Serbien und die ganze Region" dabei. Nach dem Austritt Großbritanniens werde es nicht bei 27 Mitgliedern der Europäischen Union bleiben, "denn neue Staaten werden hinzukommen. Und ich bin sicher, dass Serbien einer davon sein wird". Es war nicht das, was ein Teil der Parlamentarier hören wollte. "Serbien. Russland. Wir brauchen die Union nicht", brüllten Abgeordnete der Serbischen Radikalen Partei.

Szenen wie diese hatten die Staats- und Regierungschefs im Sinn, als sie sich beim Abendessen des EU-Gipfels über den westlichen Balkan unterhielten. Spannungen zwischen Serbien und Kosovo, eine schwere innenpolitische Krise in Mazedonien und eine nicht minder unerfreuliche Lage in Montenegro haben die Region wieder ziemlich weit nach oben auf der Krisen-Agenda der EU gebracht. Groß ist die Angst vor neuem Chaos mitten in Europa. Bundeskanzlerin Angela Merkel beklagte eine "komplizierte Situation zwischen den Ländern". Man habe sich entschlossen, "hier noch stärker auch helfend einzugreifen, um die europäische Perspektive dieser Länder zu stärken".

Genau das ist der springende Punkt. Viele in den Staaten des westlichen Balkan haben aufgehört, an die nebligen Versprechen einer "europäischen Perspektive" zu glauben. Ihnen ist die Erweiterungsmüdigkeit nicht entgangen. Zugleich arbeiten Russland und die Türkei zielstrebig daran, ihren Einfluss in der Region auszubauen. Die Pro-Europäer wollen nun dringend wissen, ob sie ernsthaft auf die EU und einen Beitritt zählen können.

Eine klare Antwort blieben ihnen die Staats- und Regierungschefs schuldig. Angesichts "der internen und externen Herausforderungen" werde man die "fragile Situation" weiterhin aufmerksam beobachten, hieß in der Gipfelerklärung. Die Unterstützung der europäischen Perspektive gelte "uneingeschränkt". DBR

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