EU-Erweiterung:CDU-Basis fordert harte Linie gegen die Türkei

Wenige Wochen vor dem CDU-Bundesparteitag wollen mehrere christdemokratische Landesverbände ihre Parteispitze auf ein "Nein" zum umstrittenen EU-Beitritt der Türkei festlegen - zum Verdruss von Kanzlerin Angela Merkel.

C. Hickmann, P.-A. Krüger, J. Nitschmann, R. Wiegand

In mehreren Landesverbänden der CDU wächst der Widerstand gegen die Türkei-Politik der Bundespartei. Der nordrhein-westfälische CDU-Europaabgeordnete Herbert Reul sagte der Süddeutschen Zeitung, zahlreiche Kreisverbände der NRW-CDU wollten im neuen Grundsatzprogramm einer Vollmitgliedschaft der Türkei in der Europäischen Union eine Absage erteilen.

Türkei; EU-Beitritt

Den meisten Konservativen ist der mögliche EU-Beitritt der Türkei ein Dorn im Auge.

(Foto: Foto: ddp)

"Es gibt eine breite Bewegung an vielen Stellen, dass das da rein muss", sagte Reul. Im Entwurf für das Programm, das Anfang Dezember beim CDU-Bundesparteitag in Hannover beschlossen werden soll, wird die Türkei in dem Kapitel zur Erweiterung der EU bislang nicht erwähnt.

Generalsekretär Ronald Pofalla, der die Programmkommission leitete, hatte auf den Regionalkonferenzen der Partei zum Grundsatzprogramm vorgeschlagen, einen Passage zur Klarstellung einzufügen. Diese soll festhalten, dass mit der Türkei zwar ergebnisoffene Beitrittsverhandlungen geführt werden, die CDU jedoch eine privilegierte Partnerschaft als richtige Lösung erachtet. Ob dies der Partei-Basis ausreicht, ist jedoch unklar.

Der Steinfurter CDU-Europaabgeordnete Markus Pieper, wie Reul Vorstandsmitglied der NRW-CDU, sagte, in der Landespartei gebe es wegen des Türkei-Themas "einen Flächenbrand". Etliche Kreisverbände hätten sich entschlossen, mit Änderungsanträgen "die Notbremse zu ziehen". In Kreisen der CDU-Europaabgeordneten heißt es, Parteichefin Angela Merkel scheue eine Festlegung gegen eine EU-Vollmitgliedschaft der Türkei, "um ihre Regierungsgeschäfte nicht zu stören".

Zwei CDU-Kreisverbände in Nordrhein-Westfalen haben bereits Anträge verabschiedet, in denen es heißt: "Die Voraussetzungen für eine EU-Vollmitgliedschaft sind weder in der Türkei noch in der EU gegeben." In Baden-Württemberg hat es nach Medienberichten auch solche Beschlüsse gegeben. Pieper sagte, die Erweiterungsstrategie der EU sei "an einem Wendepunkt angekommen". Bereits der Beitritt von Bulgarien und Rumänien sei "an der Schmerzgrenze" gewesen. Europa müsse dort seine Grenzen haben, "wo gemeinsame Geschichte, Kultur und Wertorientierung fehlen".

Dagegen lehnte Piepers Kollege Georg Jarzembowski, Vorstandsmitglied der CDU Hamburg und seit 1991 Mitglied des Europaparlaments, eine Festlegung im Grundsatzprogramm ab. "Angela Merkel ist persönlich gegen eine Vollmitgliedschaft der Türkei, das weiß jeder. Man muss sie nicht durch einen solchen Text im Programm zu irgend etwas drängen", sagte er. Seiner Ansicht nach würde "die Türkei die Gemeinschaft sprengen". Dann gäbe es auch keine Gründe mehr, einen Beitritt der Ukraine oder Moldawiens abzulehnen.

Die Frage gehöre aber nicht in ein Grundsatzprogramm, "das vielleicht zehn Jahre oder länger gelten soll". Michael Billen, Vorsitzender des CDU-Bezirksverbandes Trier, forderte statt einer Ablehnung des Türkei-Beitritts eine "positive Aussage" über "die gemeinsame Kultur, die gemeinsame Geschichte" Europas im CDU-Programm.

Der Landesverband Berlin will mit einem vom Landesvorstand beschlossenen Antrag erreichen, dass sich die CDU gegen eine assoziierte Mitgliedschaft der türkischen Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Erdogan in der Europäischen Volkspartei einsetzt, dem Zusammenschluss der konservativen Parteien. "Sonst werden Schleusen geöffnet", sagte Frank Henkel, Generalsekretär der Landes-CDU.

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