EU-Erweiterung:Albanien will einen Platz am Tisch

German Chancellor Angela Merkel expected for visit to Tirana

Rama bei einem Besuch bei Merkel 2015.

(Foto: dpa)
  • Der albanische Premier Rama will für sein Land eine klare EU-Aufnahmeperspektive.
  • Dafür muss er sich die Regierungschefs der Union gewogen halten.
  • Die Verhandlungen mit Albanien, das seit 2014 offizieller Beitrittskandidat ist, können nämlich erst beginnen, wenn alle EU-Mitglieder zustimmen.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Da kommt jetzt kein böses Wort über seine Lippen. Edi Rama, albanischer Ministerpräsident und einst Emigrant in Paris, lässt sich nicht zu Kritik an Emmanuel Macron hinreißen. "Warum soll ich böse sein auf Präsident Macron?", fragt Rama. Vielleicht, weil er die wohl beste Nachricht für Albanien seit Langem ein wenig verdorben hat?

Als die EU-Kommission in dieser Woche die offizielle Empfehlung aussprach, Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien aufzunehmen, da nutzte Macron seine Rede vor dem EU-Parlament in Straßburg für eine Mahnung: Er werde eine Erweiterung der EU "nur dann verteidigen, wenn es zuerst eine Vertiefung und eine Reform unseres Europas gibt". Damit habe Macron nur ein Versprechen aus seinem Wahlkampf wiederholt, beschwichtigt Rama von Tirana aus in einem Telefonat mit der Süddeutschen Zeitung. Auch er selbst zweifle nicht daran, dass die Europäische Union reformiert werden müsse. "Ich sehe nicht, dass sich das gegen uns richtet", beteuert Rama.

Der albanische Ministerpräsident kann sich Konflikte mit Macron oder anderen Staats- und Regierungschefs aus der EU bei Licht besehen auch gar nicht leisten. Er weiß, dass die lange ersehnte Empfehlung der EU-Kommission nur so viel wert ist wie die EU-Staaten es zulassen. Die Verhandlungen mit Albanien, das seit 2014 offizieller Beitrittskandidat ist, können erst beginnen, wenn alle EU-Mitglieder zustimmen. Ramas Mission ist es nun, sich die EU-Kollegen gewogen zu halten und zugleich gegen die erweiterungsskeptische Stimmung in der EU anzukämpfen - sowie Ängste zu zerstreuen. "Wir klopfen nicht an die Tür der EU, um gleich morgen Mitglied zu werden. Wir wollen uns nur endlich an den Verhandlungstisch setzen", sagt er. Die Beitrittsverhandlungen könnten durchaus so viel Zeit beanspruchen wie die Reform der EU. Deshalb wolle er Macrons Credo "ergänzen". Nicht um Vertiefung vor Erweiterung gehe es, sondern um "gleichzeitiges Vertiefen". Während die EU ihre Zusammenarbeit vertiefe, müsse Albanien seine Reformen vertiefen.

Mit starkem Gegenwind rechnet Rama trotzdem. "Es gibt eine klare Sorge, dass Individuen und Kräfte in der EU Dinge vermischen wollen, die nicht vermischt werden sollten", sagt er. Sein Augenmerk gilt dabei nicht zuletzt Deutschland, wobei er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf seiner Seite zu wissen glaubt. "Wenn es nur die Kanzlerin wäre, gäbe es keine Frage", sagt er. Probleme sehe er allerdings im Bundestag. Er wisse, "dass es Abgeordnete gibt, die überzeugt werden müssen auf Grundlage von Fakten und Ergebnissen". In ihrem Fortschrittsbericht hat die EU-Kommission Albanien in den Bereichen Verwaltung, Justiz sowie Kampf gegen Korruption und organisiertes Verbrechen zumindest ausreichende Fortschritte für den Beginn der Beitrittsverhandlungen bescheinigt. Das Land, dessen Wirtschaftskraft pro Kopf bei 29 Prozent des EU-Schnitts liegt, sei "in Maßen" auf den Aufbau einer funktionierenden Marktwirtschaft vorbereitet. "Die Empfehlung der Kommission ist kein Geschenk, kein Almosen. Sie fußt auf unseren Leistungen", betont Rama. Würden diese nun nicht gewürdigt, müssten die Menschen in seinem Land das als "unfair" empfinden.

Mit Folgen, wie Rama warnt: "Wenn die EU-Perspektive getrübt wird und kurzsichtige Politik über langfristige Strategie siegt, werden die Menschen weggehen wollen." Die Zahl ungerechtfertigter Asylanträge von Menschen aus der Region könne dann wieder steigen. Umgekehrt aber gelte: "Wenn wir Verhandlungen starten, ist das eine starke Injektion der Hoffnung und eine klare Perspektive für jeden." Der Öffentlichkeit in der EU müsse dabei auch die strategische Bedeutung klargemacht werden: "Es geht nicht nur darum, dass wir ein Teil der EU werden wollen. Es liegt im Interesse der EU selbst, den westlichen Balkan zu integrieren. Wir reden hier nicht über eine entlegene Region, sondern eine Region, die im Herzen Europas liegt." Albanien, versichert Rama, sei das "pro-europäischste Land Europas". Das liege auch daran, dass sie im einzigen Teil Europas lebten, in dem die Menschen aus eigener Anschauung den Krieg kennen. "Wir wissen, was Krieg bedeutet. Wir kennen die Zerstörungen, die kommen, wenn man nicht Frieden und Zusammenarbeit wählt", sagt er.

Fristen will Rama keine nennen. Nach seinem eigenen Geschmack, so bekennt er, hätten die Verhandlungen am besten schon begonnen. "Meine Erfahrung ist aber, dass man mit Europa nie über Termine reden sollte. Das ist nicht weise", sagt er. Die Europäer seien bereit, zum Altar zu gehen. "Aber den Termin wollen sie nicht festlegen, bis der Tag gekommen ist".

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