EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei:Ein neues Kapitel

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Für Flüchtlinge wird es schwieriger, über die Türkei in die EU zu gelangen. (Foto: Santi Palacios/AP)

Belohnung für die Regierung in Ankara: Nach langem Stillstand verhandeln die Türkei und die EU wieder über den Beitritt.

Von Daniel Brössler, Brüssel

Vor gut zwei Wochen wurde der Deal zwischen der Europäischen Union und der Türkei besiegelt, der die Flüchtlingszahlen begrenzen soll. Schritt für Schritt wird er nun umgesetzt. Am Montag kam der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu nach Brüssel, um erste Früchte zu ernten. Erstmals seit zwei Jahren wurde wieder ein neues Kapitel in den Beitrittsverhandlungen eröffnet. Es geht dabei um die Angleichung der Türkei an die Wirtschafts- und Finanzpolitik der EU, also um Fragen wie die Unabhängigkeit der Zentralbank. Von einem "guten Tag für die friedvolle Entwicklung in unserer Nachbarschaft", sprach EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn. Geladen war Çavuşoğlu überdies zum Mittagessen beim Treffen der EU-Außenminister. Thema: Frieden für Syrien und der Kampf gegen den "Islamischen Staat".

Während sich im Streit mit Moskau über den Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges keine Entspannung abzeichnet - die russische Regierung hat ein für Dienstag geplantes Treffen von Staatschef Wladimir Putin mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan abgesagt - darf sich die Türkei in Brüssel umworben fühlen. Die EU-Kommission weist denn auch Kritik an dem Geschäft zurück, das Erdoğan viel Anerkennung durch die EU verschafft, obwohl sich das Land dem jüngsten Fortschrittsbericht zufolge in Fragen wie Medienfreiheit und Unabhängigkeit der Justiz zuletzt keineswegs an die Union angenähert hat. "Der Pragmatismus ist ja nicht der schlechteste Ratgeber in den Beziehungen mit den Nachbarn und so gehen wir eigentlich auch vor", sagte Hahn. "Die Türkei hat ein eminentes Interesse mit uns zusammenzuarbeiten", betonte er. Umgekehrt habe auch die EU ein eminentes Interesse an "einer vernünftigen, soliden Zusammenarbeit".

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Die Situation sei günstig, um bei den Verhandlungen "Fortschritte zu erzielen", lobte Hahn. Diese seien "ergebnisoffen". Die türkische Seite betonte, dass das Ziel der Verhandlungen der Beitritt sei. Die Eröffnung des ersten Kapitels seit zwei Jahren sei "symbolhaft", betonte Çavuşoğlu. Belgiens Außenminister Didier Reynders sagte, dies sei "der beste Weg", um die Türkei zum Dialog etwa über Menschenrechte und Demokratie zu bringen. Der österreichische Außenminister Sebastian Kurz forderte, in den Beziehungen mit der Türkei "die Dinge ehrlich beim Namen" zu nennen. "Es geht hier darum, dass die Türkei uns hilft, dass die Flüchtlinge gar nicht erst bis nach Europa durchkommen", sagte Kurz. Er warnte zugleich davor, sich bei der Sicherung der Außengrenzen nur auf Ankara zu verlassen.

Mit der Eröffnung des Verhandlungskapitels zur Wirtschafts- und Währungspolitik wird das 15. von 35 Kapiteln eröffnet. Abgeschlossen werden konnte in den 2005 begonnenen Gesprächen nur ein einziges Kapitel. Die Beitrittsgespräche wurden immer wieder durch das EU-Land Zypern blockiert, weil die Türkei im seit 1974 besetzten Nordteil der Insel weiter Truppen stationiert hat. Hinzu kam zuletzt ein Streit um die Förderung von Öl- und Gasvorkommen vor der Küste Zyperns. Die EU-Kommission strebt für das kommende Quartal die Eröffnung fünf weiterer Kapitel an. Dabei geht es um die Bereiche Energie, Grundrechte, Justiz, Freiheit und Sicherheit, Bildung und Kultur sowie die Außen- und Sicherheitspolitik.

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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